UX Research: Die Mediation „light“ zwischen Mensch und Technik
User Experience (UX) Research – ein relativ neues Gebiet in der digitalen Produktentwicklung und -forschung – wird hauptsächlich zu Evaluierungen von digitalen Produkten, Systemen oder etwaigen Serviceleistungen herangezogen, welche auf Mensch-Computer-Interaktionen basieren.

User Experience (UX) Research – ein relativ neues Gebiet in der digitalen Produktentwicklung und -forschung – wird hauptsächlich zu Evaluierungen von digitalen Produkten, Systemen oder etwaigen Serviceleistungen herangezogen, welche auf Mensch-Computer-Interaktionen basieren.
Als Einstiegs-Beispiel für UX-Research…
…denken wir an den Anfang des Automobilbaus im 20. Jahrhundert: Die ersten Modelle – unbezahlbare Schmuckstücke aus heutiger Sicht – faszinierten damals durch ihre neue Technik. Von Motoren angetriebene, laut knatternde Streitwägen, die Menschen von A nach B brachten und manchmal fehleranfällig ihren Dienst erwiesen. Nicht besonders sicher oder schnell – aber: Sie fuhren und begeisterten. Mit den Jahren verbesserte sich die Technik. Die Motoren wurden stärker; die Bedienung wurde erleichtert; in erste Sicherheitsmaßnahmen wurde investiert. Viele Jahrzehnte später waren die Autos schließlich auf einem – für die damalige Zeit – ausreichenden technischen Niveau angekommen. Sie funktionierten meist zuverlässig und waren stark genug, um Menschen nach Lust und Laune zu befördern. Mit der zufriedenstellenden Funktionalität im Hinterkopf begann man sich schlussendlich Gedanken zu machen, wie man nicht nur die Effizienz, sondern beispielsweise auch die Fahrfreude der Menschen steigern könnte. Zudem wurden weitere Fragen lauter: Wie kann man sich von anderen Automobilherstellern abheben? Reicht ein stärkerer Motor? Oder spielt auch die Auswahl hochwertiger Designelemente, ästhetischer Formensprache, ansprechender Materialien und intuitiver Bedienelemente eine Rolle?
Ein ähnliches Szenario zeigt sich nun im Qualitätsmanagement der IT-Branche
Vor einigen Jahren war „Software-Usability“ hierzulande noch ein eher selten gehörter Begriff. Man war – stark vereinfacht ausgedrückt – schon froh, wenn die Software funktionierte, einigermaßen sicher war und ohne Datenverluste arbeitete. Mittlerweile ist es allerdings an der Zeit weiter zu denken. Menschen erwarten heutzutage bereits eine verlässliche, effiziente, absturz- und datensichere Software. Für viele ist dies die Mindestanforderung, um überhaupt über die Verwendung einer Software nachzudenken. In den Vordergrund rückt neben diesen Mindestanforderungen das User-Interface; die Schnittstelle zwischen den Benutzern und der Software. Menschen erwarten eine flexible, agile, Software, die sich an ihre Bedürfnisse anpasst und mit ihnen interagiert. Software soll mit den Menschen kommunizieren - und das natürlich vereint mit einer möglichst hohen intuitiven Bedienbarkeit und Attraktivität.
Was heißt das nun?
Generell geht es bei UX-Research darum, die Wirkung des technischen Systems bzw. der Benutzerschnittstelle auf den User herauszufinden. Welche Emotionen und Assoziationen hat der User während der Nutzung? Zu welcher Einstellung führt diese Nutzung? Entspricht das System ergonomischen Richtlinien? Wie kann die Wirkung des Systems auf die Zielgruppe optimiert werden, sodass es als benutzerfreundlich wahrgenommen wird? Je konkreter und standardisierter die Erhebungen der Bedürfnisse und Anforderungen hierbei erfolgen (beispielsweise mit Hilfe standardisierter und gütekriteriengeprüfter psychologischer Testverfahren), desto aussagekräftiger und ökonomischer gestalten sich die Analysen und Maßnahmenfestlegungen für die Weiterentwicklungen.
Aufmerksame Leser…
…haben wahrscheinlich schon die Nähe zur Marktforschung und Kundenzufriedenheitsforschung, auch Customer Experience Research genannt, bemerkt. Doch User Experience Research ist weder dasselbe wie Customer Experience Research, noch ist es getrennt davon zu betrachten. User Experience Research ist vielmehr ein Teilgebiet der Kundenzufriedenheitserhebung und geschieht auf Mikroebene; bezogen auf eine Benutzerschnittstelle ohne dabei beispielsweise ein dazugehöriges Kundenservice bzw. dessen Leistungen zu berücksichtigen.
Und wozu soll das gut sein?
Einerseits profitiert das Produktmanagement bzw. das dazugehörige Qualitätsmanagement der Softwareentwicklung davon. Je eher die Produkte am User bzw. der jeweiligen Zielgruppe getestet werden, desto wahrscheinlicher ist es, nach der ersten Veröffentlichung ein höheres Kundenzufriedenheits-Niveau für das jeweilige Produkt zu erreichen. Mit einer hohen Kundenzufriedenheit steigt die Bereitschaft der Kunden, das Produkt langfristig zu nutzen. Die Bindung der User fällt stärker aus und somit kann ein Vorteil gegenüber etwaiger Mitbewerber gegeben sein.
Andererseits profitieren die Kunden und ihre User (beispielsweise die Büroangestellten eines Unternehmens, welches eine neue ERP-Software gekauft hat; oder die Produktionsmitarbeiter eines Großkonzernes, die ein neues Bediensystem für die Maschinen einsetzen sollen) davon. Zum einen verspricht nutzerorientiertes Schnittstellendesign unter anderem eine niedrigere Fehlerrate und somit mehr Effizienz in der Aufgabendurchführung (z.B. erhöhte Bedienungsgeschwindigkeit) und zum anderen sinkt der Schulungsaufwand und die Lerndauer mit einer benutzerfreundlichen Schnittstelle. Die User sind in der Arbeit mit der Software stärker motiviert, wodurch die positive Einstellung zur Arbeit mit der Software als auch die generelle Einstellung zur Arbeit bzw. die Mitarbeiterzufriedenheit steigen kann. Zusätzlich kann eine frustrierende Software, mit der möglicherweise einige User viele Stunden pro Tag arbeiten, ein potentieller Faktor für psychische Belastung am Arbeitsplatz darstellen. Um unter anderen letzteres zu vermeiden, zeigt sich User Experience Research als sinnvolle Investition für Unternehmen, die von intuitiven und benutzerfreundlichen Benutzerschnittstellen profitieren möchten und somit langfristig – im Vergleich zu Unternehmen, die UX-Research nicht betreiben – am längeren Hebel sitzen werden. Wer es nicht glaubt: Hier lässt sich der Return on Investment (ROI) selbst berechnen àReturn on Investment berechnen
Gibt es allgemeine Richtlinien zur Gestaltung?
Im Allgemeinen sollten bei der Gestaltung von Benutzerschnittstellen spezielle Anforderungen der Ergonomie und Psychologie berücksichtigt werden (zu finden in der internationalen Norm EN ISO 9241). Für eine angemessene Arbeitsaufgabengestaltung muss zum Beispiel die Gesundheit und Sicherheit der User sichergestellt sowie das Wohlbefinden des Users während der Aufgabendurchführung gefördert werden. Benutzerorientierung, Ganzheitlichkeit, Vielseitigkeit und Eindeutigkeit der Inhalte spielen dabei genauso wesentliche Rollen in der Gestaltung der Benutzungsschnittstellen wie die Aspekte des Handlungsspielraumes, der Rückmeldung und der Entwicklungsmöglichkeit des Users.
Viele Produktentwicklungsteams berücksichtigen diese Aspekte bereits für ihre Arbeit und versuchen diese für die Gestaltung des Produktes umzusetzen. Oftmals sind solche Teams allerdings von ihren Produktvisionen „geblendet“, sodass es sich empfiehlt, neutrale und externe Experten für die Bewertung des aktuellen Entwicklungsstandes der UX-Qualität anzusetzen. Auch wenn die Entwicklungsteams versuchen ihre User zu verstehen und sich in sie hineinzuversetzen – das mentale Modell von Entwicklern ≠ Usermodell. Aus diesem Grund sollte das Produkt hinsichtlich der User Experience stets vor der Veröffentlichung an der eigentlichen Zielgruppe überprüft werden. Dies mag zwar für die Entwicklungsphase teurer und langwieriger erscheinen, spart allerdings zum einen Zeit und zum anderen Geld für spätere Weiterentwicklungen.
Mediation zwischen Mensch und Technik – Was ist damit gemeint?
UX-Research versucht überspitzt formuliert zwischen der Userseite und der Technikseite zu vermitteln – quasi eine Mediation, wenngleich auch nur in sehr seichter Version, zu führen. Während Programmierer, Software-Designer, Produktmanager etc. eine konkrete Idee und eine konkretes Gestaltungskonzept in der Produktentwicklungsphase im Kopf hatten, sollte diese Idee später via Benutzerschnittstelle bei den Usern ankommen und verstanden werden. So wie es zwischen den Menschen Kommunikationsbarrieren gibt, so kann es diese ebenso bei der Kommunikation bzw. Interaktion zwischen dem Menschen und der vom Menschen entwickelten Technik über die Benutzerschnittstelle geben. Dies kann beispielsweise aufgrund von intra- und interindividuellen Unterschieden wie Sprachbarrieren, des Wissenstandes, des Alters oder auf bisherige Erfahrungen der User rückführbar sein, oder auch wenig Rückmeldung, Erwartungsübereinstimmung, Steuerbarkeit und Aufgabenangemessenheit von Seite der Technik bedeuten. Durch UX-Research, und die damit einhergehende Berücksichtigung der menschlichen Bedürfnisse, können solche Interaktionsbarrieren aufgedeckt werden und für die jeweilige Zielgruppe im Sinne der Benutzer- bzw. Interaktionsfreundlichkeit an die Software angepasst werden. Dafür ist es natürlich relevant mit beiden Seiten, sowohl mit dem Produktentwicklungsteam als auch mit den Usern, zusammenzuarbeiten. Für die Vermittlung zwischen den Technik-Experten und den Usern (den eigentlichen Experten der User-Anforderungen) bietet sich beispielsweise die Psychologie, als Lehre des menschlichen Erlebens und Verhaltens, an. Psychologen haben in der Regel eine mehrjährige und solide statistische Basisausbildung erlernt, um vielfältige Methoden im empirischen Tätigkeitsbereich anzuwenden. Sei es qualitative oder quantitative Datenerhebung und -analyse im Bereich UX-Research – psychologisch ausgebildete Experten bringen in der Regel das adäquate Handwerkzeug dafür mit.
Und nun zum Fazit:
UX-Research betrachtet das Gesamtsystem von Mensch, Schnittstelle und dem dahinter liegenden technischen System. Bei der Mensch-Maschine-Interaktion kommt es zum Austausch – Senden und Empfangen – von Informationen via Schnittstelle als Informationsvermittler. Und so sollte auch UX-Research in der digitalen Produktentwicklung verstanden werden: Als nützliches und vermittelndes Feedback-Tool. Als ein Sprachrohr, das User schon während der Entwicklungsphase eines Produktes eine Stimme verleiht, um später barrierefreier damit interagieren zu können. Für User soll die Möglichkeit geschaffen werden, sich in die Entwicklung eines digitalen Produktes einzubringen, welches schließlich darauf abzielt, Menschen zu unterstützen sowie effizientere Leistungen für ihre Anforderungen zu ermöglichen. Um es in Daniel Newmans und IBMsWorte zu fassen:
Pay attention to your customers and your users, and they’ll reward you with their continued business.