New Work: Die neue Welt der Arbeit
New Work ist sowohl in Gesellschaft als auch in der Wissenschaft ein viel diskutiertes Thema. Welche Theorien zum Thema New Work vorherrschen und wie man sie bewerten kann, zeigt dieser zweikern Artikel.

New Work ist der Begriff, der umfassende Dimensionen eines neuen Arbeitsverständnisses einschließt. Gravierende gesellschaftliche und technologische Fortschritte des 21. Jahrhunderts führen zu einem Umdenken auf Unternehmensebene. New Work ist also ein Trendthema und wissenschaftlicher Diskurs zugleich. In diesem Artikel lesen Sie, woher der Begriff New Work stammt und wie New Work aus heutiger Perspektive zu bewerten ist.
Die Angst vor Veränderung
In westlichen Ländern findet derzeit ein gesellschaftlicher Wandel statt, der von tiefgreifenden Veränderungen geprägt ist. Es stehen neue Arbeitszeitmodelle zur Debatte (Arbeitszeitsenkung: Zeit ist Geld), neue Formen der Zusammenarbeit und neue Führungskonzepte (Führungsstile: die Entscheidung liegt beim Unternehmen). Obwohl all diese Ansätze vielfach in der Öffentlichkeit und im wissenschaftlichen Diskurs thematisiert werden, scheitern Unternehmen daran, Ideen und neue Methoden in der eigenen Unternehmenskultur umzusetzen. Der eigentliche Grund liegt wohl darin, dass viele neuartige Konzepte zu revolutionär sind und die Führungsetage Angst hat, dass diese Maßnahmen eine Eigendynamik entwickeln, die weitere tiefgreifende Veränderungsprozesse nach sich zieht. Die Ablehnung und der Widerstand verdecken im Grunde oftmals lediglich die Angst vor Machtverlust.
Eine, wie ich finde, unbegründete Annahme. Denn gerade Unternehmen, die bereit sind, neue Führungsmethoden und Maßnahmen zur Verbesserung der Unternehmenskultur durchzuführen, erhalten vielfach Zuspruch und Rückhalt der Belegschaft. Wie bereits im Artikel „Auf den Kern gebracht #7: Empowerment" erwähnt, ist es für Unternehmen nur von Vorteil, wenn sich die Mitarbeiter zu selbstbestimmten und verantwortungsbewussten Akteuren innerhalb des Kollektivs entwickeln können, da sie sich zunehmend als Mitgestalter der Organisation sehen und damit Veränderungen im Unternehmen mitbegleiten. Empowerte Mitarbeiter wollen der Führungsebene also nicht den Rang ablaufen, sondern sich aktiv im Unternehmen beteiligen.
Die Wurzeln von New Work
Der amerikanische Sozialphilosoph Frithjof Bergmann prägte Ende der 1970er Jahre den Begriff New Work. Bergmann versuchte, mit seiner Theorie ein Gegenmodell zum kapitalistischen Wirtschaftssystem zu kreieren, indem er das Modell der Lohnarbeit kritisierte und durch ein Beschäftigungsmodell ersetzte. Dieses basiert auf drei Säulen: Selbstständigkeit, Freiheit und Teilhabe an der Gesellschaft. Sein Erwerbsmodell ist demnach so aufgebaut, dass Arbeit aus Selbstverwirklichung, Selbstbestimmung und Selbstversorgung besteht. Seine Utopie sieht also kleinere, lokalere Unternehmen vor, die mithilfe von Hightech-Eigenproduktion dazu in der Lage sind, das eigene Unternehmen sowohl wirtschaftlich als auch gesellschaftlich selbst zu stützen. Außerdem verlangte er, dass sich jedes einzelne Individuum fragen solle, was er/ sie im Beruf „wirklich, wirklich“ will. Dabei geht es ihm darum, dass Menschen wieder ihren Drang und ihr Streben wiederentdeckten und sich ihrem Beruf vollständig hingeben bzw. Commitment entwickeln.
Das heutige New Work
Heutzutage wird der Begriff New Work im weiteren Sinne als grundlegende Veränderung im Unternehmenskontext verstanden. Es geht darum, eine Gemeinschaft im Unternehmen zu realisieren, einen Raum für kreative Menschen zu schaffen, in dem sich jeder selbstverwirklichen kann und einen Teil zum großen Ganzen beiträgt. Der New-Work-Führungsstil basiert auf Beziehungsaufbau, Wertschätzung und Verantwortungsübertragung. Die Förderung von einer autonomen Arbeitsweise sowie die Steigerung der körperlichen und geistigen Fähigkeiten stehen im Vordergrund.
Eine weitere spannende Theorie zum Thema New Work bietet Frédéric Laloux, ein belgischer Unternehmensberater. Seiner Theorie zufolge gibt es koexistierende Organisationstypen, die unterschiedliche Ansichten vertreten, wie ein Unternehmen funktionieren sollte. Tabelle 1 zeigt bisherige Organisationsformen. Laloux sagt weiter, dass wir uns in einer evolutionären Entwicklung von Organisationstypen befinden. Im Laufe der Geschichte haben sich, je nach vorherrschender Gesellschaftsstruktur und Weltsicht, unterschiedliche Organisationsformen herausgebildet. Dies nennt Laloux auch Paradigmenwechsel. Momentan befinden wir uns auf dem Weg in eine „Teal organization“ bzw. In eine integrale evolutionäre Organisation. Diese macht sich bereits in unserer Gesellschaft bemerkbar. Beispielsweise ist die „Selbstführung“ immer wieder Thema in wissenschaftlichen Auseinandersetzungen, wie man sein Arbeitsumfeld eigenverantwortlich gestalten kann. Ein weiterer wichtige Punkt ist, den Menschen als eine Entität, d. h. als „Ganzes“ zu sehen. Es werden nicht mehr emotionale Aspekte des Menschen aus seiner Arbeit ausgeschlossen, sondern miteinbezogen. Der dritte Punkt, an dem man laut Laloux einen Paradigmenwechsel hin zu einer integralen Gesellschaft erkennt, ist der so genannte „evolutionäre Sinn“. Organisationen, die diese Stufe in naher Zukunft erreichen werden, benutzen nicht mehr Kontrolle, um Mitarbeitende in eine bestimmte Richtung zu bewegen, sondern lassen sie ihre eigene Entwicklung erkunden und bieten dabei Unterstützung.
Laloux sagt auch, dass der optimale Organisationstyp je nach Kontext unterschiedlich sein kann. Somit hat zwar jede Form ihre Daseinsberechtigung, jedoch kristallisiert sich mit der neuen, „Teal organization“ eine Struktur heraus, die für Mitarbeitende optimale Bedingungen zur Selbstentfaltung liefert.
Fazit zu New Work
Momentan befinden wir uns in einem Zwiespalt zwischen Tradition und Innovation, dessen Welten sich zunehmend zwischen Ängsten und Möglichkeiten bewegen. Jedes Unternehmen steht nun selbst in der Verantwortung, tradierte Organisationsstrukturen zu hinterfragen und darüber zu entscheiden, welche Organisationsform zum Unternehmen und zu dessen Mitarbeitende passt. In einer vernetzten, horizontal angelegten Organisationsstruktur, in der starre Mentalitätsmuster und die Angst vor Fehlern bzw. erhöhte Tendenzen dazu, sich abzusichern, ausgedient haben, können agile Projekte produktiver bearbeitet werden. Vor allem innovationsorientierte Unternehmen profitieren von dem Sprung hin zu einer "Teal organization“, da sie das eigene Unternehmensmodell an die zunehmende Komplexität unserer Gesellschaft anpassen können und sich damit auf Dauer einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.
Das Leben an der Spitze der Pyramide bringt nicht mehr Erfüllung. Hinter der Fassade und dem Prunk besteht auch das Leben mächtiger Führungskräfte aus stillem Leiden. Ihre hektische Geschäftigkeit ist oft ein schlechter Deckmantel für ein tiefes Gefühl innerer Leere.
Von Frédéric Laloux
Literatur: Frédéric Laloux; Reinventing Organizations; 2014; Seite 36