Motivationskrise: Was Unternehmen über Anreize und Maßnahmen wissen müssen
Mitarbeitermotivation ist kein Selbstläufer. Warum immer mehr Beschäftigte ihre Motivation verlieren und welche gezielten Maßnahmen Unternehmen ergreifen können, zeigt dieser Artikel.

Die Arbeitswelt verändert sich rasant – neue Technologien, hybride Arbeitsmodelle und sich wandelnde Erwartungen der Mitarbeitenden stellen Unternehmen vor große Herausforderungen. Eine aktuelle Studie von EY (2024/2025) zeigt, dass die Motivation vieler Beschäftigter sinkt und sich dies direkt auf die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen auswirkt. „Nicht einmal jede und jeder zweite Angestellte in Deutschland (48 Prozent) gibt aktuell an, auf der Arbeit sein Bestes zu geben. Der internationale Durchschnitt liegt bei 54%“ (EY, 2025). Doch was genau ist Motivation, wie unterscheidet sie sich von Engagement und Commitment, und welche Maßnahmen können helfen aus der Motivationskrise herauszukommen?
Motivation, Engagement und Commitment – eine wichtige Abgrenzung
Oft werden die Begriffe Motivation, Engagement und Commitment synonym verwendet, doch sie beschreiben unterschiedliche Aspekte der Arbeitswelt:
Motivation beschreibt den inneren Antrieb, eine Aufgabe zu erfüllen oder ein Ziel zu erreichen. Sie kann extrinsisch (z. B. durch Gehalt oder Boni) oder intrinsisch (z. B. durch persönliche Entwicklung oder Freude an der Arbeit) gesteuert sein (Deci & Ryan, 2000).
Engagement bezieht sich auf die emotionale Bindung einer Person an ihre Arbeit. Engagierte Mitarbeitende zeigen oft hohe Leistungsbereitschaft und sind bereit, über das Notwendige hinauszugehen (Schaufeli & Bakker, 2010).
Commitment bedeutet langfristige Identifikation mit einem Unternehmen. Während Engagement projekt- oder aufgabenbezogen sein kann, beschreibt Commitment eine generelle Bindung an den Arbeitgeber (Meyer & Allen, 1991).
Motivation kann Engagement fördern, doch ohne das Gefühl, etwas Sinnvolles beizutragen, bleibt sie oft nur kurzfristig wirksam. Commitment braucht neben Motivation auch kulturelle Faktoren wie Unternehmenswerte oder Führung.
Wie hängt Motivation mit Leistung zusammen?
Ein häufig zitiertes Modell zur Erklärung des Zusammenhangs von Motivation und Leistung ist die Erwartungstheorie von Vroom (1964) (Vroom, 1964). Sie besagt, dass Leistung von drei Faktoren abhängt:
Erwartung (Expectancy): Mitarbeitende müssen glauben, dass ihre Anstrengung zu guter Leistung führt.
Instrumentalität (Instrumentality): Sie müssen überzeugt sein, dass gute Leistung zu gewünschten Ergebnissen führt.
Valenz (Valence): Das Ergebnis muss für sie persönlich wertvoll sein.
Fehlt einer dieser Faktoren, nimmt die Motivation und damit auch die Leistungsfähigkeit ab. Motivation ist also keine Garantie für Leistung – sie kann ein entscheidender Treiber sein, aber ohne klare Strukturen, faire Anerkennung und Entwicklungsmöglichkeiten bleibt sie oft wirkungslos.
Die Grenzen der Motivation
Es gibt klare Grenzen der Mitarbeitermotivation, die Unternehmen oft unterschätzen:
Dauerhafte Motivation durch extrinsische Anreize ist begrenzt. Ein höheres Gehalt motiviert nur kurzfristig, danach gewöhnen sich Mitarbeitende daran (Hedonic Adaptation) (Kahneman & Deaton, 2010).
Intrinsische Motivation kann durch falsche Führung zerstört werden. Micromanagement, fehlende Autonomie oder Sinnentzug führen langfristig zu Demotivation (Pink, 2009).
Erschöpfung und Überlastung wirken stärker als Motivation. Selbst hochmotivierte Mitarbeitende verlieren ihre Leistungsfähigkeit, wenn sie chronisch überlastet sind (Maslach & Leiter, 2016).
Motivation ist also nicht unendlich skalierbar. Unternehmen müssen die Rahmenbedingungen schaffen, damit Motivation nachhaltig wirkt.
Warum Motivation einbricht: Die häufigsten Ursachen
Laut der EY-Studie 2025 gibt es mehrere Gründe, warum die Motivation von Mitarbeitenden nachlässt:
Fehlende Entwicklungsmöglichkeiten: Ohne Perspektiven sinkt die intrinsische Motivation.
Schwache Führung: Führungskräfte, die nicht inspirieren oder unterstützen, führen oft zu Motivationsverlust.
Mangelnde Wertschätzung: Fehlendes Feedback oder Anerkennung reduzieren die Motivation drastisch (Gallup, 2023).
Fehlende Sinnhaftigkeit: Mitarbeitende, die keinen Sinn in ihrer Arbeit sehen, verlieren oft schnell das Interesse.
Dysfunktionale Unternehmenskultur: Wenn die Werte des Unternehmens nicht mit denen der Mitarbeitenden übereinstimmen, sinkt die Motivation langfristig.
Diese Ursachen zeigen, dass Motivation nicht allein durch individuelle Maßnahmen, sondern auch durch strukturelle Verbesserungen gefördert werden muss.
Individuelle und kulturelle Maßnahmen zur Förderung der Motivation
Motivation ist kein statischer Zustand – sie kann durch gezielte Maßnahmen gefördert oder auch unbewusst zerstört werden. Unternehmen, die langfristig eine hohe Motivation sicherstellen möchten, müssen sowohl individuelle als auch kulturelle Hebel ansetzen.
Individuelle Maßnahmen: Die Motivation jedes Mitarbeitenden stärken
Individuelle Maßnahmen konzentrieren sich auf die Bedürfnisse, Erwartungen und Arbeitsweisen einzelner Mitarbeitender. Diese Ansätze helfen, die intrinsische und extrinsische Motivation gezielt zu fördern:
1. Autonomie und Entscheidungsspielräume ausbauen
Handlungsempfehlung: Ermutige Mitarbeitende, eigene Entscheidungen zu treffen, anstatt ihnen Lösungen vorzuschreiben. Das kann durch eigenverantwortliche Projektarbeit oder dezentrale Entscheidungsprozesse geschehen.
Beispiel: Statt strikter Arbeitsanweisungen sollte ein Unternehmen Mitarbeitenden ermöglichen, eigene Wege zur Zielerreichung zu wählen. Das steigert die Eigenverantwortung und damit die Motivation.
2. Klare Entwicklungsperspektiven schaffen
Handlungsempfehlung: Entwickle individuelle Karrierepfade und biete gezielte Weiterbildungsmöglichkeiten an. Mitarbeitende müssen das Gefühl haben, dass ihre Weiterentwicklung vom Unternehmen unterstützt wird.
Beispiel: Unternehmen können regelmäßige Entwicklungsgespräche führen, um gemeinsam mit den Mitarbeitenden Karriereziele und erforderliche Kompetenzen zu definieren.
3. Gezielte Anreize setzen (über das Gehalt hinaus)
Handlungsempfehlung: Neben finanziellen Anreizen sind Anerkennung, Lob und nicht-monetäre Benefits genauso wichtig.
Beispiele für effektive Anreize:
Flexible Arbeitszeiten und Homeoffice-Optionen für mehr Work-Life-Balance
Zusätzliche Urlaubstage für langjährige Mitarbeitende
Persönliche Weiterbildungen auch außerhalb der eigenen Rolle
Öffentliche Anerkennung im Team für besondere Leistungen
4. Regelmäßiges Feedback und Anerkennung etablieren
Handlungsempfehlung: Führungskräfte sollten nicht nur Leistung bewerten, sondern gezielt positives Feedback geben.
Beispiel: Statt eines einmal jährlichen Feedbackgesprächs können Unternehmen monatliche Check-ins oder peer-to-peer Anerkennungssysteme implementieren.
5. Gesundheitsförderung und Wohlbefinden ernst nehmen
Handlungsempfehlung: Physische Gesundheit ist Grundvoraussetzungen für Motivation. Unternehmen sollten Stressbelastungen erkennen und reduzieren.
Beispiele:
Regelmäßige Gefährdungsanalysen psychischer Belastungen am Arbeitsplatz
Burnout-Prävention durch eine gesunde Organisationskultur, die flankiert wird von Einzeliniativen, wie Ruhezonen am Arbeitsplatz, Betriebliche Gesundheitsprogramme, die Sportangebote, Ernährungstipps und psychologische Unterstützung umfassen
Kulturelle Maßnahmen: Motivation als Unternehmensprinzip verankern
Während individuelle Maßnahmen direkt auf einzelne Mitarbeitende abzielen, sorgen kulturelle Maßnahmen für eine motivierende Gesamtatmosphäre. Eine starke Unternehmenskultur beeinflusst langfristig, wie motiviert Mitarbeitende bleiben – auch in volatilen Zeiten.
1. Führungskräfte als Motivatoren befähigen
Handlungsempfehlung: Trainiere Führungskräfte darin, motivierend zu führen. Das bedeutet: weniger Kontrolle, mehr Vertrauen, klare Visionen und echte Unterstützung für Mitarbeitende.
Beispiel: Führungskräfte sollten regelmäßig fragen: „Was brauchst du, um deine Arbeit bestmöglich zu erledigen?“ und Unterstützung individuell anpassen. Empowering Leadership stärkt Kompetenzen der Mitarbeitenden, damit diese eigenverantwortlich handeln können.
2. Eine sinnstiftende Unternehmenskultur etablieren
Handlungsempfehlung: Unternehmen brauchen eine klare Vision und Werte, mit denen sich Mitarbeitende identifizieren können.
Beispiel: Ein Unternehmen, das Nachhaltigkeit als Kernwert sieht, kann gezielt Mitarbeitende einbinden, um eigene nachhaltige Ideen umzusetzen. Die Beteiligung der Mitarbeitenden an der Übersetzung und Integration der Vision und Werte ist essentiell, damit Kultur und Sinnerleben nicht nur plakative Aussagen bleiben.
3. Psychologische Sicherheit fördern
Handlungsempfehlung: Mitarbeitende sollten sich ohne Angst vor negativen Konsequenzen äußern dürfen. Teams mit hoher psychologischer Sicherheit zeigen mehr Innovationskraft und Engagement (Edmondson, 1999).
Beispiele für Maßnahmen:
Fehlertoleranz stärken: Führungskräfte können aktiv zeigen, dass Fehler Teil des Lernprozesses sind.
Offene Dialogformate schaffen: Regelmäßige „Open Talks“, in denen Kritik und Anregungen ohne Hierarchieeinschränkungen geteilt werden können, um voneinander und miteinander zu lernen.
4. Teamzusammenhalt und soziale Motivation stärken
Handlungsempfehlung: Motivation entsteht oft nicht durch individuelle Ziele, sondern durch ein starkes Teamgefühl. Unternehmen sollten eine Kultur der Zusammenarbeit fördern.
Beispiele für Teamförderung:
Interdisziplinäre Projekte, in denen Teams aus unterschiedlichen Abteilungen zusammenarbeiten
Gemeinsame Erfolge feiern, etwa durch Team-Retrospektiven oder informelle Events
Mentoring-Programme, in denen erfahrene Mitarbeitende ihr Wissen weitergeben
5. Kulturelle Diversität und Inklusion als Motivationsfaktor nutzen
Handlungsempfehlung: Unternehmen sollten aktiv eine kulturell diverse und inklusive Umgebung schaffen, in der sich jede und jeder wertgeschätzt fühlt.
Beispiele:
Unbewusste Vorurteile abbauen durch Trainings für Führungskräfte
Diversitätsprogramme, wie zum Beispiel die Förderung von Employee Resource Groups
Flexibilität in religiösen oder kulturellen Feiertagen ermöglichen
Fazit
Die EY-Studie 2025 verdeutlicht, dass Motivation kein Selbstläufer ist, sondern gezielte Maßnahmen erfordert. Unternehmen, die individuelle und kulturelle Aspekte berücksichtigen, profitieren nicht nur von produktiveren Mitarbeitenden, sondern auch von höherer Mitarbeiterbindung und einer stärkeren Unternehmenskultur.
Letztlich ist Motivation kein kurzfristiges Projekt, sondern eine strategische Investition in die Zukunft der Organisation.
Weiterführende Literatur
Deci, E. L., & Ryan, R. M. (2000). The "what" and "why" of goal pursuits: Human needs and the self-determination of behavior. Psychological Inquiry, 11(4), 227–268.
Edmondson, A. (1999). Psychological safety and learning behavior in work teams. Administrative Science Quarterly, 44(2), 350–383.
EY. (2025). EY Work Reimagined Survey 2024/2025. Ernst & Young Global Limited. Abgerufen am 30. Januar 2025 von https://www.ey.com/de_de/newsroom/2025/01/ey-work-reimagined-2024-2025
Gallup. (2023). State of the Global Workplace 2023. Gallup, Inc. Abgerufen am 30. Januar 2025 von https://www.gallup.com/workplace/349484/state-of-the-global-workplace.aspx
Herzberg, F. (1959). The motivation to work. John Wiley & Sons.
Kahneman, D., & Deaton, A. (2010). High income improves evaluation of life but not emotional well-being. Proceedings of the National Academy of Sciences, 107(38), 16489–16493.
Maslach, C., & Leiter, M. P. (2016). Burnout: The cost of caring. Los Altos, CA: Malor Books
Meyer, J. P., & Allen, N. J. (1991). A three-component conceptualization of organizational commitment. Human Resource Management Review, 1(1), 61–89.
Pink, D. H. (2009). Drive: The surprising truth about what motivates us. Riverhead Books.
Schaufeli, W. B., & Bakker, A. B. (2010). Defining and measuring work engagement: Bringing clarity to the concept. In A. B. Bakker (Ed.) & M. P. Leiter, Work engagement: A handbook of essential theory and research (pp. 10–24). Psychology Press.
Vroom, V. H. (1964). Work and motivation. John Wiley & Sons.