Mitarbeitergespräch: Ein veraltetes Management Tool?
Bringt das Mitarbeitergespräch wirklich einen Mehrwert für Belegschaft und Führungskräfte oder ist es einfach ein nerviges Überbleibsel aus vergangener Zeit?

In den meisten Unternehmen wird einmal im Jahr ein Mitarbeitergespräch unter vier Augen durchgeführt. Viele Mitarbeiter haben Angst vor dieser Zusammenkunft, da Kritik ausgeteilt werden könnte oder die Führungskraft vielleicht nicht zufrieden mit der gezeigten Leistung war. Das Thema, warum wir im Allgemeinen Angst vor Feedback haben, habe ich bereits in unserem Blog behandelt. Hier die beiden Links zu den Beiträgen:FeedbackkulturundFeedbackgespräch
Da das Mitarbeitergespräch um einiges umfassender ausfallen sollte als ein Feedbackgespräch, möchte ich dieses Thema in einem eigenen Beitrag aufgreifen. Das Mitarbeitergespräch löst oft eine große Diskussion aus, da es sehr viele Meinungen dazu gibt. Die einen sehen es als veraltetes Management Instrument, das komplett überflüssig ist und demotivierend wirkt. Andere wiederum schwören darauf und sich der Meinung: „Wer es nicht macht, macht es falsch!“. So richtig toll findet das Mitarbeitergespräch allerdings niemand. Führungskräfte haben keine Zeit dafür, sind meist unvorbereitet und verständlicherweise demotiviert, wieder hunderte von Seiten Gesprächsprotokolle auszufüllen. Die Personalabteilung ist ebenfalls froh, wenn sie den Führungskräften nicht mehr nachlaufen muss, ob denn nun endlich alle Gespräche abgeschlossen sind. Die Mitarbeiter sind ebenfallsgenervt, wer stellt denn schon gerne seine eigenen Leistungen auf den Prüfstand? Doch wenn am Ende eine kleine Gehaltserhöhung dabei herausspringt, lässt man dieses Prozedere eben über sich ergehen. Bringt das Mitarbeitergespräch wirklich einen Mehrwert für Belegschaft und Führungskräfte oder ist es einfach ein nerviges Überbleibsel aus vergangener Zeit?
Wozu dient das Mitarbeitergespräch?
Eines ist ganz klar: Eine ganzjährig schlechte Führung wird durch ein Gespräch einmal im Jahr auch nicht ausgemerzt. Im Idealfall herrscht über das ganze Jahr hinweg eine vertrauensvolle und wertschätzende Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter. So können Probleme sofort angesprochen werden, wenn sie entstehen und nach Lösungen gesucht werden. Mitarbeiter bekommen regelmäßig ein Feedback, nicht nur einmal im Jahr und können auch der Führungskraft ein offenes Feedback geben.
Ist diese Basis gegeben, kann das Mitarbeitergespräch dabei helfen, das große Ganze nicht aus den Augen zu verlieren und sich einen Überblick zu verschaffen. Wie ist es dem Mitarbeiter in verschiedenen Aufgabenbereichen ergangen? Wo gab es Schwierigkeiten und Entwicklungsfelder? Welche Förderprogramme oder Weiterbildungsmöglichkeiten könnten den Mitarbeiter dabei unterstützen, noch besser in verschiedene Aufgabenstellungen hinein zu wachsen? Welche Rahmenbedingungen der Arbeit könnten verbessert werden? Was könnten dahingehend Aufgaben und Ziele sein, die man bis zum nächsten Mitarbeitergespräch erreichen möchte? Wo sieht der Mitarbeiter langfristig seine Ziele, wo will er hin?
Gibt es unter dem Jahr bereits viele Gespräche zwischen Mitarbeiter und Führungskraft, in denen Themen wie diese angesprochen werden können, ist das Mitarbeitergespräch meiner Meinung nach, nicht notwendig. Ist dem nicht so, hat das Mitarbeitergespräch einen Vorteil: Es räumt Zeit und Raum für Kommunikation ein. Wenn die Kommunikation unter dem Jahr zu kurz kommt, finde ich persönlich ein terminiertes, verpflichtendes Gespräch besser, als überhaupt keines. Allerdings nur dann, wenn die Zeit konstruktiv genutzt wird und nicht nur einmal im Jahr stattfindet.
Wozu sollte ein Mitarbeitergespräch nicht dienen?
Ich habe zu diesem Thema schon oft gehört, dass sich Führungskräfte über das ganze Jahr hinweg Notizen über den Mitarbeiter machen sollen um am Ende des Jahres ausreichend Input für das Mitarbeitergespräch gesammelt zu haben. Mal ehrlich, was hat ein Mitarbeiter von einem Lob, das 8 Monate zu spät ausgesprochen wird? Vermutlich erinnert man sich im November nicht mal mehr an das eine tolle Projekt im April, in dem man hervorragende Arbeit geleistet hat. Wäre es nicht sinnvoller ein Projekt sofort nach Abschluss in einem kurzen Feedbackgespräch zu beurteilen?
Genauso wenig sollte das Mitarbeitergespräch zu einer One-Man-Show werden, in der der Vorgesetzte einen Monolog darüber führt, wie schlecht es momentan allgemein im Unternehmen läuft. Der Mitarbeiter soll in diesem Gespräch im Vordergrund stehen, nicht das ganze Team oder die Abteilung. Dem Mitarbeiter muss Raum geschaffen werden um über seine Bedürfnisse, Erwartungen und Ziele zu besprechen. Ein allgemeines Herumjammern bringt wohl niemanden weiter und löst ein negatives Gefühl beim Mitarbeiter aus, anstatt zu motivieren, neue Ziele zu erreichen.
Das Mitarbeitergespräch sollte auch nicht zu einem nervigen Pflichttermin werden mit dem Hintergedanken: „Lass uns das einfach schnell hinter uns bringen!“. In so einem Fall wird geschwind das Protokoll vom Vorjahr heraus gekramt, ein paar Änderungen und fertig. Pflicht erfüllt, aber gebracht hat das Ganze überhaupt nichts. Es liegt an der Kommunikation der Führungskraft, welche Wertigkeit der Mitarbeiter dem Gespräch zuschreibt, ob er einen Nutzen daraus ziehen kann oder es als überflüssig betrachtet.
In der Praxis läuft einiges schief
Meiner Erfahrung nach wird das Mitarbeitergespräch in vielen Unternehmen als reine Leistungsbeurteilung verwendet. Wer sich hier gut präsentiert, seine Erfolge anpreist und gute Ausreden für Misserfolge parat hat, steigt am Ende besser aus. Ein Mitarbeiter der sich selbst reflektiert, offen über seine Schwächen spricht, weil er daran arbeiten möchte, wird mit Sicherheit den Kürzeren ziehen, egal ob es um das Gehalt geht oder um die nächste Beförderung. Eigentlich sollte es doch um einen vertrauensvollen Austausch gehen und nicht darum, ein Formular abzuarbeiten, das danach in die Personalabteilung weitergeleitet wird, wo wiederrum eine Zusammenfassung für die Geschäftsführung ausgearbeitet wird. Mitarbeiter werden nach einem strukturierten Schema beurteilt und bewertet um am Ende einen Punktewert zu generieren. Dies ist nicht gerade die perfekte Basis für ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Mitarbeiter und Führungskraft. Viele Führungskräfte haben damit ein echtes Problem, sie sind oft ein Teil des Teams und wollen den Mitarbeitern nichts Schlechtes. So werden Problemfelder einfach gar nicht angesprochen um es allen recht zu machen.
Im Zuge dieser Leistungsbeurteilung spielen auch Sympathie, Antipathie und selektive Wahrnehmung eine große Rolle. Die subjektive Wahrnehmung der Führungskraft über die Leistungen von Mitarbeitern wird oft durch das Unterbewusstsein beeinflusst und es kommt zu Wahrnehmungsverzerrungen. So können verschiedene Effekte einen Einfluss auf das objektive Ergebnis eines Mitarbeitergespräches haben. Eventuell werden Erfolge einer sympathisch wirkenden Person besser eingeschätzt oder stärker wahrgenommen, bei einem weniger sympathischen Mitarbeiter bleiben hingegen Misserfolge länger im Gedächtnis hängen. Das sollte natürlich nicht so sein und wirkt sich negativ auf die Motivation der Mitarbeiter aus.
Um nachhaltig einen Mehrwert mit Mitarbeitergesprächen zu erreichen, müssen wir weg vom reinen Beurteilungsgespräch hin zu einem vertrauensvollen Austausch über Erfolge, Entwicklungsfelder und Zielvereinbarungen, sowie einem Zeitrahmen wie und bis wann diese Entwicklungen stattfinden sollen.
Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Mitarbeitergespräch gemacht und unter welchen Umständen sehen Sie einen Mehrwert darin? Ich würde mich sehr freuen, mit Ihnen über dieses Thema zu diskutieren und Erfahrungen auszutauschen. Schreiben Sie dazu einfach ein Kommentar unten in die Kommentarbox – ich freue mich auf einen spannenden Austausch!
Die meisten Menschen wollen lieber durch Lob ruiniert, als durch Kritik gerettet werden.
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