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Mitarbeiterbindung: Der emotionale Vertrag zum Unternehmen

Niedrige Fluktuation = Hohe Mitarbeiterbindung = Hohe Arbeitszufriedenheit? Nein, so einfach ist es leider nicht. Heute geht es um den oft falsch verwendeten Begriff Mitarbeiterbindung in Zusammenhang mit Fluktuation und Zufriedenheit.

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Für ein Unternehmen hat eine hohe Mitarbeiterbindung oder auch starke Unternehmensbindung einen sehr großen Vorteil: eine geringe Fluktuation. Dies kann einem Unternehmen viele Kosten für die Neubesetzung von Stellen ersparen. Die Ersparnisse durch hohe Mitarbeiterbindung sind schwer zu erfassen. Zum einen weil die Fluktuationskosten stark von der Branche abhängig sind und davon, welche Positionen neu zu besetzen sind. Dabei sind die Kosten für den Verlust von Schlüsselpositionen oder wichtigen spezifischen Fachkräften besonders hoch. Darüber hinaus ist für die Wirtschaft interessant, ob eine hohe Mitarbeiterbindung nicht nur Ersparnisse einbringt, sondern auch direkt zu mehr Umsatz führt, zum Beispiel durch höhere Motivation und Engagement. Aus diesem Grund widmen sich einige Studien und Wissenschaftler dem Thema. Die Messung der Mitarbeiterbindung stellt sich allerdings als sehr schwierige Angelegenheit heraus. Deshalb gibt es viele Unternehmen, die es sich einfach machen und sagen: „Unsere Fluktuation ist doch niedrig, das heißt unsere Mitarbeiterbindung ist hoch, unsere Mitarbeiter arbeiten gerne hier!"

Niedrige Fluktuation = hohe Bindung = Zufriedenheit?

Bedeutet eine geringe Fluktuation gleichzeitig eine hohe Mitarbeiterbindung? Ich denke, dies hängt davon ab, wie man Mitarbeiterbindung definiert. Misst man die Bindung einfach und allein daran, wie lange Mitarbeiter dem Unternehmen treu bleiben bzw. das Unternehmen nicht verlassen, dann ja. In diesem Fall muss Unternehmensbindung aber nicht zwangsläufig etwas Positives sein und schon gar nicht für zufriedene Mitarbeiter sprechen. Denn es gibt viele Einflussfaktoren, die einen Mitarbeiter dazu bringen, ein Unternehmen nicht zu verlassen. Dies könnte zum Beispiel ein Mangel an Alternativen sein, das Unternehmen ist womöglich der einzige große Arbeitgeber in der Region, oder es steckt die Angst vor Veränderungen hinter der Unternehmensbindung. Heute möchten wir versuchen, die Hintergründe für eine hohe Mitarbeiterbindung zusammenzufassen und dabei Faktoren miteinbeziehen, an die man im ersten Moment nicht denkt.

Gründe für eine scheinbar hohe Mitarbeiterbindung

Es gibt verschiedene Gründe dafür, warum die Bindung eines Mitarbeiters an ein Unternehmen hoch sein kann. Viele Unternehmen verwechseln dabei das Halten von Mitarbeitern mit einer tatsächlichen Bindung wie Identifikation mit dem Unternehmen, Stolz in der Firma tätig zu sein sowie Loyalität und Vertrauen. Dabei wird oft einfach nicht hinterfragt welche anderen Gründe es geben könnte, warum Mitarbeiter im Unternehmen bleiben. Im Folgenden möchte ich Aspekte aufzählen, die dazu führen, eine scheinbar hohe Mitarbeiterbindung im Unternehmen zu erzielen. Dabei kann es äußere Einflusskriterien geben, wie zum Beispiel die finanzielle Unsicherheit aber auch innere Faktoren, wie die Angst vor Veränderungen.

Finanzielle Unsicherheit

Dass der finanzielle Aspekt nicht längerder Hauptgrund dafür ist, eine Stelle anzunehmen oder zu behalten ist vielen Unternehmen bereits bewusst. Vielmehr streben die Menschen nach Selbstverwirklichung und einem Sinn in ihrer Arbeit zu finden. Trotzdem höre ich immer wieder den Satz: „Ich mache es nur des Geldes wegen, sonst wäre ich schon längst über alle Berge!“. Geld regiert die Welt. Man hat ein Haus abzuzahlen, eine Familie zu ernähren und das Auto geht vielleicht auch bald ein. Die finanzielle Unsicherheit ist bestimmt ein wichtiger Aspekt der Mitarbeiterbindung bzw. ein Grund, der den Mitarbeiter im Unternehmen hält. Ist der Job gut bezahlt und der Mitarbeiter sieht keine andere Alternative, bleibt er lieber im Unternehmen und versucht es noch ein paar Jahre auszuhalten, auch wenn er seit Jahren nicht mehr zufrieden ist. Natürlich kann man hier auch von einer gewissen Bindung sprechen, doch von großem Engagement oder Motivation kann nicht mehr ausgegangen werden.

Mangel an Alternativen

Ein Mitarbeiter, der unzufrieden ist und eine Alternative hat, wird diese mit Sicherheit nutzen. Gibt es allerdings keine Alternative oder sieht der Mitarbeiter diese nicht, wird er vermutlich bleiben. So kommt es, dass viele Unternehmen am Land oder in wenig besiedelten Regionen mit einer niedrigen Fluktuationsrate prahlen. Die Bindung der Mitarbeiter muss dort enorm hoch sein. Warum wohl? Wo sollen die Mitarbeiter denn sonst hin, wenn es keinen anderen Arbeitgeber in der Region gibt? Die gleiche Situation entsteht, wenn es am Arbeitsmarkt viel mehr Bewerber als offene Stellen in einem Bereich gibt. Weiß ein Mitarbeiter zum Beispiel von fünf Kollegen aus dem gleichen Bereich, die seit einem halben Jahr keinen Job finden, wird dieser wohl kaum kündigen, auch wenn er unzufrieden ist.

Emotionaler Vertrag

Ist ein Mitarbeiter über Jahre oder sogar Jahrzehnte hinweg für den selben Arbeitgeber tätig, entsteht eine Art emotionaler Vertrag zwischen den beiden. Eine Basis aus Loyalität und Vertrauen. Prinzipiell die perfekte Grundlage für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Über die Zeit hinweg kann sich allerdings vieles verändern - andere Arbeitsbedingungen, neuer Vorgesetzter, andere Kollegen. Die Arbeitszufriedenheit, die damalige Motivation und das Engagement gehen verloren, doch der emotionale Vertrag bleibt. Viele Mitarbeiter fühlen sich so stark emotional mit dem Unternehmen verbunden, dass sie auch unzufrieden dem Arbeitgeber treu bleiben. Dabei verbauen sie sich die Chance auf neue Herausforderungen und andere Karrieremöglichkeiten.

Angst vor Veränderung

Angst vor Veränderungen oder das Gefühl am Arbeitsmarkt nicht gut genug zu sein, ist sicherlich ein weiterer Aspekt der Mitarbeiterbindung. Viele Menschen befürchten sich auf neue Arbeitsaufgaben nicht schnell genug einstellen zu können oder nicht ausreichend viel Wissen und Fähigkeiten mitzubringen. Dadurch entscheiden sie sich lieber für die bekannte und sichere Variante, auch wenn sie dabei nicht zufrieden sind. Die eigene Comfort-Zone zu verlassen und einen Jobwechsel anzustreben ist für viele Menschen eine psychologische Herausforderung, die sie gerne über Jahre vor sich herschieben, ohne eine Veränderung in Angriff zu nehmen

Echte Mitarbeiterbindung aufbauen

Ist einmal erkannt, dass das einfache Halten von Mitarbeitern nicht unbedingt ein Zeichen für hohe Unternehmensbindung darstellt, sollte auch daran gearbeitet werden. Im Folgenden sind die wichtigsten Aspekte der Mitarbeiterbindung aufgezählt.

Arbeitszufriedenheit

Die Zufriedenheit in dem was man alltäglich leistet ist wohl einer der wichtigsten Bausteine für Mitarbeiterbindung. Die Arbeitszufriedenheit hat so viele Facetten, dass es schwer fällt genau zu sagen, welche Aspekte diemeisten Auswirkungen auf die Bindung der Mitarbeiter hat. Trotzdem kann man sagen, dass durch eine allgemeine Zufriedenheit mit dem Job, mit dem Vorgesetzten, den täglichen Herausforderungen, dem Entscheidungsspielräumen, der Kommunikation oder den Arbeitsbedingungen die Mitarbeiterbindung und die Identifikation mit dem Unternehmen steigt.

Entwicklungsmöglichkeiten

Viele Menschen streben danach, sich ständig weiterzuentwickeln, neue Aufgabengebiete übernehmen zu können, sich Herausforderungen zu stellen und auch höhere Positionen einzunehmen. Eine Perspektive in einem Unternehmen zu haben ist auch ein wichtiger Aspekt der Mitarbeiterbindung. Hat man im Hinterkopf, dass man noch nicht am Ende der Karriereleiter angekommen ist und in einem Unternehmen mit viel Arbeit viel erreichen kann, steigt die Bindung an den Arbeitgeber. Es geht aber nicht darum, den Mitarbeiter gezwungener Maßen in eine Schulung zu schicken, damit er die Urlaubsvertretung des Kollegen übernehmen kann, dessen Bereich den Mitarbeiter gar nicht interessiert. Hier sollten definitiv die Interessen des Mitarbeiters im Vordergrund stehen. Vielleicht besteht zum Beispiel der Wunsch in eine andere Abteilung zu schnuppern und gegebenenfalls eine Ausbildung dazu zu besuchen.

Gegenseitige Wertschätzung

Bindung und Vertrauen beruht auf Gegenseitigkeit. Man kann von einem Mitarbeiter keine Loyalität oder Identifikation erwarten, wenn man dieses nicht zurückgibt und vorlebt. Teilt der Arbeitgeber dem Mitarbeiter zeitweise mit, wie wichtig dieser für das Unternehmen ist, dass seine Arbeit nicht als selbstverständlich angesehen wird, sondern einen echten Mehrwert bringt, gibt dies dem Mitarbeiter zum einen Sicherheit und zum anderen ein gutes Gefühl gebraucht zu werden. Damit steigt die Identifikation mit dem Unternehmen enorm und auch die Bindung steigt auf beiden Seiten an.

Die Mitarbeiterbindung ist ein sehr kompliziertes Konstrukt und ist nicht mit der Arbeitszufriedenheit zu verwechseln. Nicht jeder scheinbar gebundene Mitarbeiter, der dem Unternehmen „treu“ bleibt, ist auch ein zufriedener Mitarbeiter, das sollte Unternehmen klar sein. Eine geringe Fluktuationsrate ist nicht zwingend ein Zeichen für eine hohe Mitarbeiterbindung, hier können noch viele weitere Faktoren eine Rolle spielen. Wir würden uns freuen mit Ihnen über dieses Thema zu diskutieren und in einen spannenden Austausch zu gehen! Schreiben Sie dazu einfach ihren Beitrag unten in die Kommentarbox!

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