Mitarbeiter abholen: Wie säe ich neues Vertrauen? - Teil 1
"Den Mitarbeiter abholen" ist die wohl am häufigsten gebrauchte Floskel, wenn es um die Vertrauensarbeit am Mitarbeiter geht. Leider reicht dieses "Abholen" nicht aus, um ein nachhaltiges Vertrauen zwischen Mitarbeiter und Führungskraft, sowie dem Unternehmen, zu schaffen. Wir möchten daher in einem erneuten Zweiteiler darauf eingehen, wie Vertrauen verloren geht und wie es (wieder) erzeugt werden kann.

Die meisten Unternehmen, mit denen ich über die Jahre ins Gespräch gekommen bin, haben in Ihrer Vergangenheit Phasen durchgemacht, die unter den Mitarbeitern nur wenig Vertrauen geschaffen haben. Zum Thema der organisationalen Vertrauensbildung haben wir bereits die meisten Faktoren (wie z.B. Common Ground: Tipps zur Umsetzung; Nachhaltigkeit: Wie es nicht nur bei guten Vorsätzen bleibt) ausreichend beleuchtet. Aus diesem Grund möchte ich mich in dieser Woche mit den Führungskräften als eine besser greifbare Einheit einer Organisation befassen. Diese sind die greifbarste Verbindung der Mitarbeiter zum eigenen Unternehmen und stellen daher auch einen Art Flaschenhals für die Vertrauensbildung zwischen Mitarbeiter und Organisation dar. Gerade in der Interaktion zwischen Führungskraft und Mitarbeiter kommt es also oftmals zu den ersten Vertrauensverlusten bzw. Vertrauensbildungen. Im ersten Teil des Themas „Mitarbeiter abholen: Wie sähe ich neues Vertrauen?“ möchte ich mich daher zunächst mit den Faktoren beschäftigen, welche durch (nicht) vorhandenes Vertrauen beeinflusst werden, bevor ich nach Ursachen für mögliche Vertrauensverluste suche und in einem zweiten Teil die Chancen und Voraussetzungen zum Aufbau von Vertrauen aufzeigen möchte. Sie sind natürlich wie jede Woche dazu aufgefordert uns wissen zu lassen, was Sie von diesem Thema halten, oder auch eigene Erfahrungen zu diesem Thema zu teilen.
Mitarbeiter abholen: Welche Faktoren werden durch das Vertrauen der Mitarbeiter beeinflusst?
In zahlreichen Studien konnte der Zusammenhang zwischen Mitarbeitervertrauen und wesentlichen KPIs aufgezeigt werden. Zum einen zeigten bereits Ryan [&] Oestreich (1998), dass Hochleistung von Mitarbeitern nur in einem vertrauensvollen Umfeld möglich ist, welches Raum für die eigene Meinung und die Aussprache der „Wahrheit“ gibt. Sobald die Angst vor dem Äußern von Missständen, Problemen und anderen arbeitsrelevanten Bedenken ausgemerzt werden kann, so ist es den Mitarbeitern auch möglich Top-Leistung abzurufen und das Unternehmen wettbewerbsfähiger zu machen (Ryan [&] Oestreich; 1998). Darüber hinaus konnten Brown, Gray, McHardy [&] Taylor (2015) aufzeigen, dass nicht nur das Vertrauen offen zu sprechen, sondern auch das generelle Vertrauen der Mitarbeiter ein wesentlicher Faktor für die finanzielle Performance des Unternehmens, die Produktivität innerhalb des Unternehmens, die Produkt- sowie Servicequalität darstellt (Brown, Gray, McHardy, Taylor; 2015).
Ursachen für Vertrauensverluste
Vertrauen zu verlieren ist gerade in Zeiten von schnellen Unternehmensbewegungen sehr leicht. Aufgaben sowie Teamzusammensetzungen ändern sich schneller als noch vor ein paar Jahren, und auch die geforderte Flexibilität an die Mitarbeiter steigt. Dies schafft von Beginn an eine gute Voraussetzung dafür, Vertrauen leicht zu verspielen.
Die Überschüttung der Führungskräfte mit Anforderungen
Wie ich bereits in meinem Blogartikel zum Thema 360-Grad-Feedback ausführlich aufgezeigt habe, halte ich Führungskräfte für die am meisten geforderten und gleichzeitig am schlechtesten geförderten Mitarbeiter eines Unternehmens (360 Grad Feedback: Fehler bei der Umsetzung - Teil 1). Mit "schlecht" meine ich hierbei nicht die Quantität der Führungskräfte-Workshops, -Ausflüge, -Trainings,- Coachings etc., sondern vielmehr deren Qualität. Die Anforderungen an diese Mitarbeitergruppe (gerade an die unteren Führungskräfte) ist in den letzten Jahren stetig gewachsen. Es werden Verhaltensweisen als Guidelines aufgestellt, die für Führungskräfte verpflichtend sind. Gleichzeitig müssen klassische KPIs eingehalten bzw. übertroffen und am besten noch eine herausragende Teamführung und Talentförderung der Mitarbeiter erreicht werden. Dabei wird den Führungskräften jedoch nur selten das „Warum“ und noch weniger das „Wie“ nähergebracht. Auffällig dabei ist, dass die gemeinsame Verantwortung für eine solche Führungsarbeit meist an die untere Führungsebene abgegeben wird, während das Unternehmen selbst nicht die richtigen Rahmenbedingungen dafür schafft. Wenn z.B. eine Führungskraft ständig zwischen zwei Abteilungen hin- und herrennen, gleichzeitig ihren operativen Tätigkeiten nachkommen und dann noch jeden der eigenen Mitarbeiter aktiv fördern soll, so bleibt am Ende meist eine gestresste Einzelperson, die im besten Fall mit viel Druck noch die Erreichung der Teamziele schafft. Weiterentwicklung, Förderung und nachhaltige Verbesserung bleiben dabei zwangsweise auf der Strecke. Dadurch kommt es auch bei den Mitarbeitern nur selten zu einer tieferen Interaktion mit der eigenen Führungskraft. Vertrauensbildende Momente sind durch großen Stress und den Druck von oben schwer zu erzeugen. Außerdem geschieht die Auswahl von Führungskräften oftmals nicht anhand deren sozialer Kompetenz.
Die mangelhafte Auswahl von Führungskräften
Leider kommt es in vielen Unternehmen zur Beförderung nach „Qualifikation und Betriebszugehörigkeit“. Auf den ersten Blick eigentlich ein berechtigtes Vorgehen, denn die Person kennt das Unternehmen bereits gut und bringt auf dem Papier die nötige Bildung für die neue Stelle mit. Dummerweise steht in der Realität zunächst die Betriebszugehörigkeit über der eigentlichen Qualifikation, und die Qualifikation wird meist in der Fachlichkeit der Person und nicht deren Managementfähigkeiten gesehen. Dadurch kommt es oftmals zu fachlich hervorragend ausgebildeten Führungskräften, die allerdings besser mit der Produktarbeit als mit der Mitarbeiterführung betraut werden sollten. Diese werden dann oftmals auf halbgare Managementseminare und im schlimmsten Fall zu einer MBA-Ausbildung gezwungen. Diese Ausbildung ersetzt aber leider nicht das Talent sowie die Fähigkeit der Person zur Führung von Mitarbeitern, sondern schmückt lediglich das Büro und die Karriereleiter.
Natürlich kann kein Auswahlverfahren der Welt mit absoluter Sicherheit jede geeignete Führungskraft aus dem Mitarbeiter-Pool heraussuchen. Allerdings sollte sich jedes Unternehmen dringend folgende Frage stellen: „Will ich sowohl auf die Leistung des fachlich hervorragenden Mitarbeiters mit Managementaufgaben verzichten, wie auch die Leistung des Teams durch mangelhafte Anleitung gefährden, nur um die Zeit und die Kosten für eine gute Auswahl zu sparen?“. Ich denke, kein gut strukturiertes Unternehmen mit der Ambition zu Konkurrenzfähigkeit und Wirtschaftlichkeit kann diese Frage mit „Ja“ beantworten. Das Vertrauen der Mitarbeiter in eine Führungskraft, welche nicht über die nötigen sozialen wie anleitenden Kompetenzen verfügt und daher schnell mit diesen überfordert ist, kann nicht lange bestehen. Die meisten Mitarbeiter wissen, a) was sie zu tun haben, und aufgrund ihrer Ausbildung auch, b) wie sie es zu tun haben. Fachliche Nachfragen stehen daher nicht ständig an, wohingegen Organisationsanfragen und eine klare Struktur eher vonnöten ist.
Den Mitarbeiter abholen: Die schlimmste Floskel aller Zeiten
Ich habe diese Floskel wiederholt in diesem Artikel (wie auch im Titel) aufgefasst. Leider scheint es heutzutage keine andere Aufgabe mehr zu geben, als den Mitarbeiter „abzuholen“. Dieser Satz muss nach einem fest einstudierten Ablauf vor und nach jeder Sitzung zu den Themen Veränderung, Personalentwicklung etc. mindestens einmal von jedem Beteiligten geäußert werden. Schade nur, dass damit häufig gemeint ist, dem Mitarbeiter verbal zu verdeutlichen, dass mit dieser neuen Maßnahme alles besser wird. Spätestens nach dem fünften Mal wird dem Letzten jedoch klar sein, dass die schönen Plakate, Sprüche und Versprechen nur hohle Phrasen sind und dass zukünftige „Abholversuche“ wohl scheitern werden. Es ist im Prinzip eine Mobilisierung von Mitarbeiterkräften durch gutes Zureden und schlussendlich mit dem Effekt des Vertrauensverlustes durch den Mitarbeiter. Aus diesem Grund möchte ich nächste Woche darauf eingehen, welches Verhalten man als Führungskraft an den Tag legen muss, um Vertrauen nachhaltig zu erzeugen und um den Status der/ des "Mr./ Mrs. Trustworthy" zu erreichen. Dazu werde ich skizzieren welche Rahmenbedingungen den Führungskräften dafür von Unternehmensseite bereitgestellt werden müssen, um dieses gemeinsame Ziel zu erreichen.
Vertrauen wird dadurch erschöpft, dass es in Anspruch genommen wird
von Oskar von Miller
Literatur
Brown, S., Gray, D., McHardy, J., [&] Taylor, K. (2015).Employee trust and workplace performance.Journal of Economic Behavior [&] Oragnisation. Shefflied, UK.
Ryan, K. D., [&] Oestreich, D. K. (1998).The Jossey-Bass business [&] management series. Driving fear out of the workplace: Creating the high-trust, high-performance organization (2nd ed.). San Francisco, CA, US: Jossey-Bass.