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Gießkannenprinzip: Mit verbrannter Erde in die Veränderung

In der Personalentwicklung ist oftmals das Gießkannenprinzip Alltag. Doch genau dieses Vorgehen führt zu verbrannter Erde, die Nachhaltigkeit in weite Ferne rücken lässt. Worauf sollte man achten, um dieses Szenario zu vermeiden?

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Letzte Woche hat es mich mal wieder nach München in ein großes Unternehmen verschlagen, um über das Thema Kulturwandel, vor allem aber auch Veränderung an sich, zu sprechen. Um ehrlich zu sein liegen mir die Themen Kulturwandel und Change schon etwas quer im Magen. Nicht nur, dass man fast täglich in der Arbeit mit „Kulturwandel und Veränderung" konfrontiert wird und diese daher mit die inflationär gebrauchten Wörter schlechthin sind, hat auch noch jedes Unternehmen seine ganz eigene Meinung dazu, wie diese umzusetzen sind. Das hört sich im ersten Moment auch gar nicht so übel an. Man hat zumindest das Gefühl, es werden sich einige Gedanken gemacht, wie man die gewünschten Zieldefinition erreicht. Mal abgesehen davon, dass es in den wenigsten Projekten, zu denen wir hinzugestoßen sind, eine klar strukturierte und kommunizierte Zieldefinition gab, geht es mir heute aber vielmehr um die Struktur bzw. die Rahmenbedingungen, die es braucht, um jegliche Form von Veränderung nachhaltig zu gestalten. Denn viel zu oft höre ich von Unternehmen (so auch in München letzte Woche), man habe das Gefühl mit verbrannter Erde arbeiten zu müssen und schon kleinste Anpassungen würden auf Seiten der Mitarbeiter auf großen Gegenwind stoßen. Das hat in meinen Augen mehrere Gründe, auf die ich in diesem Artikel gerne eingehen möchte.

Die Pain-Points der Veränderung

Wir haben bisher in einigen Artikeln (Pain-Points) über die wesentlichsten Pain-Points diskutiert, die es zu berücksichtigen gilt, wenn man Veränderung nachhaltig gestalten möchte. Und genau hier liegt das Problem. Denn meist ist man viel zu sehr damit beschäftigt, sich mit der Zielsetzung an sich auseinanderzusetzen, als die nötigen Strukturen und Rahmenbedingungen dahingehend zu optimieren, um Veränderung erst möglich zu machen. Die drei wesentlichsten Faktoren sind hierbei das Commitment der Mitarbeiter für die Veränderung bzw. das eigene Unternehmen, die Analyse und das Verständnis für das eigene Umfeld und die Kompetenzen der Führungskräfte, die die Veränderung vorleben müssen. Wenn einer dieser Faktoren nicht passt, sollte die Veränderung an sich hinten angestellt werden. Denn grundsätzlich kostet das viel Zeit, Nerven und Geld, das für etwas aufgewendet wird, das von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Das Geld anzünden wäre in diesem Fall positiver - kostet weniger Zeit und Nerven und erzeugt zumindest ein warmes Umfeld. Natürlich ist damit die größte Herausforderung, herauszufinden, wie es um den Rahmen bestimmt ist.

Ohne Analyse, keine Struktur

Jetzt ist einer der wichtigsten Faktoren im Umgang mit Veränderung die Analyse und damit einhergehend das Verständnis für das eigene Umfeld. Doch genau das ist oftmals ein extrem vernachlässigter Punkt. Wir sind in den Artikeln „Blindflug in der Personalentwicklung“ und „Das ist doch keine Glaubensfrage“ schon des Öfteren darauf eingegangen. Die Nutzung einer sporadisch umgesetzten Mitarbeiterbefragung kann und wird vor allem niemals die Einsicht schaffen, die es braucht, um Maßnahmen abzuleiten, die Struktur schaffen. Und jede falsch gesetzte Maßnahme, die aufgrund fehlender Einsicht umgesetzt wird, kann negative Folgen mit sich ziehen.

Wenn die Gießkanne zum Einsatz kommt

Genau diese fehlende Einsicht dahingehend, die nötigen Veränderungspunkte differenziert aufzugreifen, führt dann zu einem ungewollten Effekt. Es werden unternehmensweite Maßnahmen geschneidert, die über alle Mitarbeiter drübergestülpt werden, in der Hoffnung, dass dieses Vorgehen ein positives Resultat mit sich bringt. Es ist aber oftmals genau das Gegenteil der Fall. Ohne fundierte Ergebnislage und darauf aufbauenden zweifelhaften Maßnahmen, ist es durchaus möglich, dass Mitarbeiter, die diesen Prozess immer wieder durchlaufen haben, den Glauben an die Sinnhaftigkeit des Vorgehens verlieren.

Es fehlt die Differenzierung

Mal angenommen, Sie liegen mit Bauschschmerzen im Krankenhaus und Sie fühlen sich nicht sonderlich gut. Weder körperlich noch mental, da die Schmerzen schon eine Weile anhalten. Während des Tages kommt eine Pflegekraft zu Ihnen, lässt Sie einen Fragebogen ausfüllen und geht wieder. Einen Tag später kommt ein Arzt zu Ihnen und verabreicht Ihnen eine Kopfschmerztablette, da der Rest der Patienten auf dieser Station zum Großteil über Kopfschmerzen klagen. Im Durchschnitt haben Sie also garkeine Bauch- sondern Kopfschmerzen. Auch hier bin ich fest davon überzeugt, dass jeder normaldenkende Mensch, der nicht gerade ein Faible für Kopfschmerztabletten hat, die Maßnahme verweigern und gehen würde. Warum ist man als Unternehmen dann so erstaunt, wenn aufgrund des aktuellen Vorgehens, die Mitarbeiter streiken?

Die Konsequenz aus dem Gießkannenprinzip

Die Konsequenz aus diesem beschriebenen Vorgehen liegt auf der Hand. Das Commitment von Seiten der Mitarbeiter für jegligliche Art der Veränderung fehlt, aufgrund des Gefühls „es wird sich eh nie etwas verändern“ oder „Ich werde doch sowieso nicht gehört.“. Ab diesem Zeitpunkt wird es schwierig, den Mitarbeiter dahingehend zu motivieren, weiterhin ein Teil des angestrebten Veränderungprozesses zu sein. Zusätzlich beeintrachtigt man im schlimmsten Fall die übergeordnete Bindung zum Unternehmen. Ab diesem Zeitpunkt brauchen Sie über Veränderung und noch vielmehr Nachhaltigkeit erst gar nicht mehr nachdenken. Mir wurde tatsächlich im letzten Gespräch in einem Unternehmen in Hamburg mitgeteilt, dass der angestoßene Kulturwandel momentan ins Stocken geraten ist und man jetzt versuche, alle weiteren Schritte so „COOL“ wie möglich zu gestalten. Ich musste tastächlich etwas schmunzeln. Wenn Sie an dem Punkt angekommen sind, dass Mitarbeiter keine zwei Stunden Mehrbelastung mehr auf sich nehmen und Sie darüber nachdenken, wie Sie alles etwas „cooler" gestalten können, dann lassen Sie es gut sein. Da hat zu viel Gießkanne, zu viel verbrannte Erde hinterlassen.

Der Rahmen macht die Nachhaltigkeit

Ich denke, die Konsequenzen liegen nun realtiv eindeutig auf der Hand. Mit verbrannter Erde wird es schwierig auch nur ansatzweise in die Nähe von Nachhaltigkeit zu kommen. Aber was sollte beachtet werden, damit man erst gar nicht in diese Situation kommt?

Rahmenbedingungen überprüfen

Bevor es um die Veränderung an sich geht, sollten Sie überprüfen, ob die nötigen Rahmenbedingunen und Strukturen gegeben sind, mit denen eine Umsetzung realisierbar ist. Verzichten Sie auf eine Umfrage einmal im Jahr, sondern erhöhen Sie die Erhebungsfrequenz auf einmal im Monat. Genau so schaffe ich eine Möglichkeit, mit der Mitarbeiter nicht nur kritisieren, sondern tatsächliche Ist-Zustände widerspiegeln können. Im Anschluss an die Analyse sollten Ergebnisse ausgewertet werden und mit den Mitarbeitern besprochen werden. Hier gilt es klar zu differenzieren. Stülpen Sie nicht irgendwelche Maßnahmen über die Mitarbeiter, sondern arbeiten Sie mit den Ergebnissen und den Mitarbeitern gemeinsam an einer Optimierung des aufgezeigten Rahmens.

Ziele klar definieren

Bevor man von Veränderung spricht, sollte die Zielsetzung ganz klar definiert und im Anschluss kommuniziert werden. Nur wenn die Mitarbeiter verstanden haben, worum es in den nächsten Monaten und vielleicht Jahren gehen und was auf jeden einzelnen zukommen wird, kann ich auch erwarten, dass dieser Prozess mitgetragen wird. Zusätzlich sollte klar gestellt werden, welche Rolle jeder Mitarbeiter innerhalb des Prozesses einnehmen wird und vor allem sollte die Erwartungshaltung offengelegt werden. Alles andere hat mit Transparenz wenig zu tun und genau dieser Faktor ist ein weiterer Pain-Point, den es für eine nachhaltige Veränderung zu berücksichtigen gilt.

Dem Problem ins Auge sehen

Immer wieder höre ich den Satz „Wir haben kein Erkenntnisproblem, es scheitert an der Umsetzung!“. Das ist schlicht und ergreifend falsch. Solange ich nicht ganz genau beschreiben kann, welche Defizite im Unternehmen auftauchen, wie sie entstehen und welche Konsequenzen sie mit sich bringen, habe ich ein Erkenntnisdefizit. Solange es in dieser Hinsicht kein klares Verständnis für das Problem gibt, ist eine Ableitung eines Maßnahmenplans unmöglich.

Für mich als Gründer des Unternehmens zweikern und vor allem als Psychologe war es immer eine große Herausforderung, ein System zu entwickeln, dass es mir erlaubt zwischen Standorten, Abteilungen und Berufsgruppen innerhalb eines Unternehmens zu differenzieren. Analysen und deren Auswertungen automatisiert durchzuführen, um die gewonnene Zeit in die Umsetzung stecken zu können. Vorgefertigte Maßnahmenmappen, die ich zu bestimmten Themen anbringen kann, sollten der Vergangenheit angehören. Es geht in Zukunft darum, ergebnisorientiert zu arbeiten und jeden einzelnen Mitarbeiter in die Veränderung einzubeziehen. Nur so können Maßnahmen in Zukunft ihren Wirkungsgrad erhöhen und ein brauchbares Ergebnis liefern. Mir ist durchaus bewusst, dass es viele Berater gibt, die uns hier lesen und sich genau in diesem Moment an die Stirn greifen und an alten Strukturen festhalten wollen. Aber diesmal möchte ich eines vorweg nehmen: Seit 40 Jahren ist die Quote gescheiterter Veränderungsprozesse konstant schlecht. Es hat sich nichts verändert und trotzdem versucht man an bestehenden Systemen festzuhalten. Vor allem wir Berater sollten aufhören uns selbst zu beweihräuchern und darüber nachdenken, wie es besser geht.

Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und
gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.

von Albert Einstein

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