Generationenvergleich: Generation Go vs. Generation Stay
Was passiert, wenn allmählich die Generation Stay in Pension geht und die Generation Go den Arbeitsmarkt übernimmt? Gibt es überhaupt einen sogenannten Wertewandel oder bleibt doch alles beim Alten? Wir machen den Generationenvergleich.

Wir haben bereits vor zwei Wochen besprochen, wie sich die Werte der Menschen über die Jahrzehnte hinweg verändern. Wo früher ein fixer Arbeitsplatz mit einem guten Gehalt auf der Prioritätenliste stand, sind heute Werte wie flexible Arbeitszeiten, Unternehmenskultur, der Sinn der Arbeit und die Work-Life-Balance vertreten. Es gibt viele Studien, die diese Veränderung der Werte in Frage stellen und annehmen, dass es eigentlich keinen Unterschied zwischen den Generationen gibt. Ich möchte heute versuchen diese verschiedenen Annahmen zusammenzufassen, um den Generationenvergleich besser zu veranschaulichen. Was passiert, wenn allmählich die alten Generationen der Baby Boomer in Pension gehen und die Generation Y den Arbeitsmarkt übernimmt? Unter der Annahme, dass frühere Generationen, wie die Baby Boomer, mehr Wert auf einen festen Arbeitsplatz und eine berufliche Karriere im selben Unternehmen legen, habe ich sie die „Generation Stay“ genannt. Im Gegensatz dazu stellt die Generation Y eine Altersgruppe dar, die in ihrem Leben für verschiedene Betriebe arbeiten möchten und immer wieder etwas Neues erleben will. Dazu sagt man ihnen nach, in Bezug auf Arbeitszeiten sehr flexibel zu sein, aber auch hinsichtlich des Unternehmensstandorts. So ist der Name „Generation Go“ entstanden. Zum letzten Artikel zu diesem Thema gelangt man hier:Generation Go: High Potentials gehen wandern
Generations- oder Altersunterschiede?
In einer Studie der WKO wurde ebenfalls ein Generationenvergleich durchgeführt, wobei die beiden Generationen Go und Stay in den Fokus rückten. Dabei konnte gezeigt werden, dass die Generation Go besonders viel Wert auf Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten, eine ausgewogene Work-Life-Balance und gute Bezahlung legen. Im Gegensatz dazu präferiert die Generation Stay die Entscheidungsfreiheit, die Möglichkeit eigene Ideen einzubringen und das eigene Wissen weiterzugeben. Nun könnte man sagen, das ist doch klar, junge Menschen wollen sich weiterbilden, möchten Geld verdienen, damit sie sich ein Haus bauen und eine Familie gründen können. Die ältere Generation will sich selbst verwirklichen und ihr Wissen weitergeben, denn der Eintritt in die Pension rückt näher. Mich würde dabei mehr interessieren, welche Werte die Generation Stay damals vertreten hat, als sie im Alter der heutigen Generation Go war, um diese besser vergleichen zu können. Eine Langzeit Studie von Kowske et al. aus dem Jahr 2010 konnte zum Beispiel eine geringere Betriebszugehörigkeit in der heutigen Zeit feststellen. Allerdings gab es keine Unterschiede zwischen den Generationen, wenn es um den Wunsch geht, den Betrieb freiwillig zu verlassen. In einer weiteren Studie wurde sogar bei der Generation Go eine höhere Präferenz gefunden, in demselben Unternehmen längerfristig zu arbeiten (Twenge et al., 2010). Auf der anderen Seitegibt es Studien, die dem nicht zustimmen. Dabei konnte gezeigt werden, dass die Generation Go-Vertreter in ihrem bisherigen Lebensabschnitt mehr Job- bzw. Stellenwechsel hinter sich haben, als die Generation Stay-Vertreter. Eine weitere Studie des Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zeigte, dass die durchschnittliche Beschäftigungsdauer der unter 30-Jährigen in den 80ern bei 814 Tagen lag, heut nur noch bei 536 Tage.
Generationenvergleich: Der Wertewandel
Einer der größten Unterschiede zwischen den beiden Generationen ist sicherlich die Bedeutung der Arbeit. Hat man früher seinen Lebensmittelpunkt im Beruf gesehen, um die Familie ernähren zu können, wird Freizeit und Privatleben heute zu einem immer wichtigeren Faktor. Dazu ist man auch gerne bereit ein niedrigeres Gehalt in Kauf zu nehmen, um mehr Zeit mit der Familie verbringen zu können. Die Zeit wird immer mehr zu einer wertvollen Ressource. Darüber hinaus beziehen viele ihren Selbstwert nicht mehr so stark aus dem Job und dem damit verbundenen Status. Ein zweiter wichtiger Punkt im Generationenvergleich ist der Prioritätenwandel bezüglich der Arbeitsbedingungen. Materielle Dinge wie Gehalt, aber auch Status, werden von dem Wunsch nach Selbstentfaltung, Anerkennung, Unternehmenskultur und einem großen Entscheidungsspielraum abgelöst.
Diese Arbeitsbedingungen motivieren die Generation Go und so können sich diese vorstellen, längere Zeit in einem Betrieb zu bleiben. In einer Studie von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (INQA) wurden Mitarbeiter aus verschiedenen Altersgruppen gefragt, ob sie sich gesundheitlich in der Lage fühlen ihre jetzige Tätigkeit bis zum Rentneralter auszuüben. Diese Antwort konnten bei den unter 25-jährigen nur 50 % mit „ja, wahrscheinlich“ beantworten, bei den 25-35-jährigen sind es immerhin 57 %. Nimmt man diejenigen heraus, die mit den Arbeitsbedingungen in ihrem Betrieb zufrieden sind, sagen rund 80 % der Leute "ja, sie schaffen das".
Generation Weichei?
In den Medien wird die Generation Go oft als faul und arbeitsscheu dargestellt. Dieser Wertewandel in Richtung Work-Life-Balance und das „nicht für den Job aufopfern“ bedeutet allerdings nicht, dass die Generation Go faul ist oder wenig Leistungsbereitschaft zeigt. Junge Menschen machen häufiger einen Abschluss, studieren kürzer, Langzeitstudenten sind praktisch ausgestorben und Lebensläufe sind gefüllt von Praktika, Auslandsaufenthalten und Kursen. Mir persönlich kommt es so vor als würden einfach mehr Erwartungen in die Arbeit gesteckt. Es reicht nicht mehr aus, die Arbeit als Mittel zum Zweck zu sehen, als Einnahmequelle zum Überleben. Im Generationenvergleich zeigt sich, dass die Qualität der Arbeit hierbei eine immer größer werdende Rolle spielt. Man will sich selbst verwirklichen, Spaß bei der Arbeit haben, dafür auch Anerkennung erhalten und seine Qualifikationen und eigenes Wissen gut einsetzen können. Umso stärker ein Betrieb hier auf die neuen Wertevorstellungen von Mitarbeitern der Generation Go eingeht, desto stärker ist die Identifikation mit dem Unternehmen, die Leistung, das Engagement und die Chance, den Mitarbeiter lange halten zu können.
Es ist also nicht die Arbeit selbst, von der sich die Generation Go distanziert, sondern die belastenden Aspekte der Arbeit, die gegebenenfalls auch das Privatleben gefährden.
Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt
Was verändert sich nun durch diesen Wertewandel am Arbeitsmarkt?
Zum einen sollte man diesen Wandel nicht unterschätzen. Die Zeiten, in denen Unternehmen überdurchschnittlich hohesGehalt ausbezahlten, die Kultur aber von Befehlen, Gehorsam, vielen Hierarchien und wenig Entscheidungsfreiräume geprägt war, die besten Arbeitskräfte am Markt bekamen, sindvorbei. Es gibt bereits viele Firmen, die sich an die neuen Werte von Mitarbeitern anpassen und somit am Arbeitsmarkt attraktiv für die Generation Go sind. Baut man sich hier frühzeitig einen „guten Ruf“ auf, wird es auch in Zukunft, wenn die Generation Stay in Pension ist, leichter sein neue Fach- und Arbeitskräfte zu finden.
Unternehmen müssen auch mehr auf individuelle Bedürfnisse der Mitarbeiter eingehen. Dabei werden "Extrawürste" immer mehr zum normalen Alltag. Herr Berger verlässt jeden Mittwoch und Donnerstag das Unternehmen um 16 Uhr, um die Kinder von Schule und Kindergarten abzuholen, kocht für sie, spielt noch mit ihnen und wenn er sie zu Bett gelegt hat, arbeitet er noch 2 Stunden von zu Hause aus. Wenn seine Frau wichtige Teammeetings hat, versucht er sich einen halben Tag frei zu nehmen und arbeitet oft auch am Samstag ein paar Stunden.
Die Generation Go macht keine Kompromisse. Wenn Herr Berger nicht die Möglichkeit hätte, sich um seine Kinder zu kümmern, würde er sich eine andere Stelle suchen.
Es gibt hier viele Möglichkeiten Mitarbeiter in ihren Wünschen zu unterstützen und gegebenenfalls müssen erst Unternehmensstrukturen an die heutige Zeit angepasst werden. Dennoch zahlt es sich aus. Die Generation Go ist weltoffen, engagiert, innovativ und kreativ. Wenn man sich als Unternehmen damit auseinandersetzt, wie diese Generation tickt und darauf eingeht, wird es hier sicherlich einen harmonischen Übergang von der Generation Stay zur Generation Go geben.
Wir brauchen die Herausforderungen der jungen Generation, sonst würden uns die Füße einschlafen
von Willy Brandt