Führungsstile: Der steinige Weg zu guter Führung
Die Einteilung von Management-Verhalten in unterschiedliche Führungsstile mag auf den ersten Blick durchaus Sinn ergeben. Begibt man sich jedoch näher in die Praxis, so werden die Probleme eines solchen Vorgehens schnell erkennbar. In diesem ersten Teil unseres Zweiteilers zum Thema Führungsstile möchte ich näher auf die eher ungewünschten Nebeneffekte dieser Praxis eingehen.

Da es bereits eine Unmenge von Artikeln zu den gängigsten Führungsmodellen und deren Definition gibt und genügend Abhandlungen zu der Frage, warum welche Art von Führungsstil effektiver, besser und moderner ist, möchte ich diese Woche eher auf die Probleme auf dem Weg zu einem besseren Führungsverhalten eingehen. Dieser Teil wird aufgrund seiner inhaltlichen Vielschichtigkeit als Zweiteiler erscheinen. In diesem ersten Teil möchte ich näher auf die Probleme einer Änderung des eigenen Führungsverhaltens eingehen und wie gewohnt in einem zweiten Teil Tipps für eine mögliche Umsetzung geben.
Warum die Einordnung in einen bestimmten Führungsstil Probleme bereiten kann
Für wissenschaftliche Zwecke ist es unabdingbar, eine klare Trennung von zu testenden Konstrukten zu schaffen. Dies ermöglicht, eine möglichst fehlerfreie und eindeutigere Schlussfolgerung aus bestimmten Annahmen („Es existieren verschiedene Führungsstile und diese haben unterschiedliche Effekte auf die Mitarbeiter) zu ziehen, als wenn dies nicht vorgesehen wäre. Für die im Feld tätigen Führungskräfte kann diese Kategorisierung insofern helfen, sich selbst in bestimmten Verhaltensweisen wiederzufinden und einen „Ideal-Stil“ für sich zum Ziel zu setzen. Allerdings sehe ich in der Praxis oftmals das Problem, dass die wissenschaftliche Kategorisierung über die eigentlich viel komplexere Einzelperson gelegt wird und quasi eine Art internale sowie externale Stigmatisierung stattfindet. Mit interner Stigmatisierung bezeichne ich hierbei die Wahrnehmung der eigenen Person als Führungskraft. Sobald die Führungskraft Erfahrung mit den unterschiedlichen Kategorien der oftmals direkt aus den wissenschaftlichen Artikeln überführten Bezeichnungen in unterschiedlichen Management-Zeitschriften oder mangelhaften Workshops erfährt, kommt es zu einer Einordnung der eigenen Person. Bin ich eher autoritativ? Etwa gar autoritär? Dieses menschliche Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Absicherung geschieht unbewusst und hat zur Folge, dass man sich aufgrund bestimmter Verhaltensweisen (z.B. „Ich kann sehr streng sein“) vollständig einem bestimmten Führungstyp zugehörig fühlt.
Die Übernahme fremder Verhaltensweisen eines Führungsstils
Dies beinhaltet auch eine Übernahme von Verhaltensweisen, die man vorher überhaupt nicht oder nur wenig an den Tag gelegt hat (z. B. „Ich bestrafe bestimmte Verhaltensweisen“). Dieser Effekt tritt gerade bei Gruppendynamiken verstärkt auf (z. B. „Ich bin Deutscher, Deutsche sind ordentlich, ich muss ordentlich sein“), treten meiner Meinung nach aber auch im Rahmen von Rollenstereotypen auf (Es gab hierzu einen Artikel, den ich Ihnen trotz langer Recherche leider nicht mehr vorlegen kann. Sollte jemand zufällig auf diesen stoßen, so wäre ich über einen Hinweis in unserem Kommentarbereich sehr dankbar!).
Dass das eigene (Führungs-) Verhalten jedoch aus einer viel komplexeren Zusammenstellung einzelner Facetten besteht, kann hierbei untergehen. Die eigene Führung kann gar als grundlegend falsch erlebt werden („Oh Gott, ich führe autoritär!“) oder aber auch Reaktanz erzeugen („Ich bin autoritär, aber es funktioniert eben auch!“). Dies kann in meinen Augen ein gezieltes Ansetzen von Stellschrauben verhindern, die einzelne Schwachstellen zu Stärken umwandeln könnten.
Der hohe Anforderungskatalog an eine einzelne Person
Wird eine Führungskraft beispielsweise in eine Kategorie verfrachtet, welche nach heutigem Kenntnisstand nicht dem Ideal entspricht, so sieht sich die Führungskraft, auch durch das eigene Unternehmen, einem langen Anforderungskatalog ausgesetzt. Man soll loben, präsent sein, motivierend führen, Feedback geben, proaktiv Führen, ein Vorbild sein, etc. All dies mag auf dem Papier durchaus Sinn ergeben, steht jedoch in der praktischen Umsetzung allein auf weiter Flur. Nur selten haben Führungskräfte in Workshops den Aha-Effekt, dass sie dieses Verhalten zeigen müssten. Die drängendste Frage ist in diesen Fällen nur selten „Wie sieht optimale Führung aus?“ sondern zumeist „Wie soll ich das umsetzen?“. Dem Druck des langen Anforderungskatalogs ausgesetzt, scheitern die meisten Führungskräfte bereits bei den ersten Schritten. Es fehlt hierbei an einem Werkzeugkoffer und einem geeigneten Stufenmodell, die eigene Führung authentisch und schrittweise zu verändern. Der Anforderungsdruck, alle Kompetenzen sofortig und in vollem Umfang umsetzen zu müssen, kann nur zum Scheitern verurteilt sein. Wie man mit diesem Problem sinnvoll umgehen kann, möchte ich anhand eines Beispiels im zweiten Teil dieses Artikels gerne näher erläutern.
Wenn das Unternehmen die Entwicklung des Führungsstils behindert
Dass auch das einzelne Unternehmen eine klare Vorstellung von guter Führung hat und diese auch gerne kommuniziert, ist generell wünschenswert. Problematisch ist es nur, wenn es bei der einfachen Formulierung der geforderten Verhaltensweisen bleibt. Im Flur hängt dann meist ein Plakat mit der Aufschrift „Wir sind innovativ, motivierend, etc.“. Um die Führungskräfte gut zu unterstützen, werden dazu nette Wochenendseminare abgehalten, die leider nach kurzer Zeit ihren Effekt im Arbeitsalltag verlieren. Was hier anstelle überbezahlter Trainer benötigt wird, ist eine nachhaltige Unterstützung der Führungskräfte durch inhaltliches Mitarbeiterfeedback und individuelle Supervision. Wie dies genauer umzusetzen ist, möchte ich ebenfalls im zweiten Teil dieses Artikels erläutern.
Gut gemeint, aber an Nachhaltigkeit gespart
Wie bereits in einer Vielzahl unserer Artikel näher beleuchtet, wird hierbei zu viel Zeit und Geld in die Ausarbeitung einer plakattauglichen Kampagne gesteckt, welche es nie über die Ausformulierung des konkreten Vorgehens für die einzelne Führungskraft in der realen Arbeitswelt schafft.
Mangelhafte Führungsstile liegen auch an HR
Die Art der Abteilungen, die für die Ausformulierungen verantwortlich sind, stellt meist schon die Basis für eine sehr oberflächliche Bearbeitung der geplanten Kampagne. HR-Abteilungen (oder Personalentwicklung, -Politik etc.) müssen ihre Konzepte an Vorstände, Unternehmensleiter usw. verkaufen, welche meist nur visuell gut-aussehende und gut klingende Hochglanzbroschüren abnehmen. Dies hat über die letzten Jahrzehnte dazu geführt, dass die Hauptinteraktion dieser Abteilungen also nicht mehr in den Abteilungen bzw. in der Situation der Mitarbeiter stattfindet, sondern am Reißbrett und an der Ausarbeitung einer schönen Power-Point-Präsentation. Im schlimmsten Fall sind HR-Abteilungen sowieso nur noch Abteilungen der Personalverwaltung und wurden über die Zeit erfolgreich mit Personen besetzt, die ihre Aufgaben auch derart wahrnehmen. Ein erster Schritt muss es also sein, Ressourcen innerhalb des Unternehmens zu finden und neu zu besetzen, die eine gute Kampagne auch in der Mitarbeiterebene verbreiten, vor Ort unterstützen und Nachsorge betreiben können. Entschuldigen Sie mirmein Abschweifen in die Umgangssprachlichkeit, aber an diesen Stellen müssen die Personen sitzen, die den Mehraufwand einer Intensivbetreuung der Mitarbeiter auch leisten können und wollen und eben nicht die zur Apathie verkommenen reinen Verwalter.
Zum Abschluss schicke ich Ihnen sonnige Grüße aus dem Urlaub und beende diesen ersten Teil des Artikels mit einem lokalen Sprichwort:
Eine ein Tag alte Taube kann nicht über einen Gebirgspass fliegen.
Koreanisches Sprichwort