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Followership: Die oft unterschätzte Seite guter Führung

Followership wird oft übersehen – dabei ist es essenziell für gute Führung. Der Artikel zeigt, wie Mitarbeitende aktiv zur Führung und Performance beitragen können.

Zwei Hände geben sich High Five - Followership

Wenn wir über erfolgreiche Führung sprechen, denken wir meist an inspirierende Leader, visionäre EntscheiderInnen und mitarbeiterorientierte Persönlichkeiten an der Spitze einer Organisation. Doch Führung ist kein Einbahnstraßenprinzip – sie entsteht im Zusammenspiel zwischen Führenden und Geführten. Genau hier setzt das Konzept der Followership an, das lange Zeit im Schatten der Leadership-Forschung stand, aber in den vergangenen Jahren als entscheidender Faktor für Organisationserfolg erkannt wird.

Followership beschreibt das Verhalten, die Einstellungen und die Rolle derjenigen, die geführt werden – also der Mitarbeitenden. Wer folgt, ist nicht passiv, sondern trägt aktiv zum Führungsgeschehen und zur Leistung der Organisation bei. In diesem Artikel beleuchten wir das Konzept Followership in seiner Tiefe, analysieren Zusammenhänge zu Performance, Führung und Gesundheit und geben praxisnahe Empfehlungen für Organisationen.

Was ist Followership? – Definition und Herkunft

Followership bezeichnet die aktive, reflektierte und kontextabhängige Rolle von Mitarbeitenden im Führungsgeschehen. Dabei geht es nicht nur um Gehorsam oder das bloße Ausführen von Anweisungen, sondern um einen ko-kreativen Beitrag zur Führung und Zielerreichung. In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung haben sich zwei grundlegende theoretische Perspektiven auf das Konzept herausgebildet: der rollenbasierte Ansatz und die Theorie impliziter Followership-Konzepte (Implicit Followership Theories, IFT).

Rollenbasierter Ansatz: Strukturierte Verantwortung

Der rollenbasierte Ansatz versteht Followership als eine durch formale Strukturen definierte Rolle innerhalb einer Organisation. Follower werden dabei als Positionsinhaber betrachtet, die spezifische, erwartete Aufgaben im organisationalen Gefüge übernehmen. Die Rolle ist funktional definiert und basiert auf der Annahme, dass Führung und Gefolgschaft unterschiedliche, aber komplementäre Aufgabenbereiche darstellen.

Ein bekanntes Beispiel ist das Typologiemodell von Robert E. Kelley (1988), das Follower anhand zweier Dimensionen – kritisches Denkvermögen und Engagement – klassifiziert. Daraus ergeben sich vier Typen: Alienated, Conformist, Passive und Effective Followers. Dieses Modell zeigt, dass Followership stark von der Ausübung der formalen Rolle und deren Erwartungen abhängt.

Ein weiteres theoretisches Konzept innerhalb dieses Ansatzes ist das "Role-Based Followership"-Modell von Carsten et al. (2010). Es beschreibt, wie Individuen ihre Rolle als Follower unterschiedlich interpretieren – als passiv-ausführend, unterstützend oder aktiv-kritisch –, abhängig von organisationalem Kontext, Führungsstil und eigenen Erfahrungen.

Beispiel: In einem Produktionsunternehmen mit standardisierten Abläufen erfüllen Mitarbeitende definierte Aufgaben entlang der Hierarchie. Ein Teamleiter trifft Entscheidungen, die von den Mitarbeitenden effizient umgesetzt werden. Die Rolle der Follower ist klar umrissen – sie orientieren sich an Erwartungen und Regeln.

Impliziter Ansatz: Kognitive Konstrukte und Erwartungshaltungen

Der implizite Ansatz hingegen rückt die Wahrnehmung und mentale Repräsentationen von Followership ins Zentrum. Die sogenannte "Implicit Followership Theory" (IFT) geht davon aus, dass sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeitende bestimmte stereotype Vorstellungen darüber haben, wie sich "gute" Follower verhalten sollen. Diese Vorstellungen entwickeln sich über Zeit durch Erfahrungen, Kultur, Sozialisation und Kommunikation und prägen Erwartungen und Verhaltensweisen.

Ein zentrales Konzept in diesem Ansatz ist das von Sy (2010) entwickelte Modell, das sogenannte Prototypen und Antitypen von Followern identifiziert. Prototypen beinhalten Merkmale wie fleißig, enthusiastisch oder loyal; Antitypen dagegen faul, dumm oder unmotiviert. Diese Schemata beeinflussen sowohl, wie Führungskräfte das Verhalten von Mitarbeitenden interpretieren, als auch, wie sich Mitarbeitende selbst verhalten – unabhängig von formalen Rollen.

Beispiel: In einem agilen Softwareunternehmen wird Eigenverantwortung als zentrales Merkmal guter Mitarbeitender angesehen. Obwohl es keine formale Rollendefinition gibt, verhalten sich viele Mitarbeitende entsprechend dieses Erwartungsschemas: Sie bringen proaktiv Ideen ein, übernehmen Verantwortung und handeln lösungsorientiert – nicht, weil es verlangt wird, sondern weil es der „unsichtbaren Norm“ entspricht.

Diese beiden theoretischen Perspektiven erweitern das Verständnis von Followership erheblich. Während der rollenbasierte Ansatz den strukturellen Rahmen liefert, zeigen implizite Theorien, wie tief verwurzelte Annahmen über Gefolgschaft Verhalten beeinflussen können – teils unbewusst, aber wirkungsvoll.

Followership, Führung, Performance und Gesundheit – ein komplexes Geflecht

Followership ist eng mit Führung verflochten. Moderne Führungsansätze wie Shared Leadership oder Transformational Leadership setzen auf eine aktive Rolle der Geführten. Studien zeigen, dass gute Followership positiv mit der Teamleistung, der Innovationskraft und der Mitarbeiterzufriedenheit zusammenhängt.

Auch der Zusammenhang mit psychischer Gesundheit ist nicht zu unterschätzen. Wer sich als wirksam erlebt, Rückmeldung geben darf und Verantwortung übernimmt, erlebt mehr Sinnhaftigkeit und weniger Stress. Umgekehrt kann ein Mangel an aktiver Followership zu Überforderung bei Führungskräften, Rollenkonflikten und Demotivation führen.

Die Passung zwischen Führungsstil und Followership-Verhalten ist ebenfalls entscheidend: Ein autoritärer Führungsstil kann engagierte Follower demotivieren, während partizipative Führung solche Follower zur Entfaltung bringt.

Treiber und Moderatoren von Followership

Was fördert gute Followership? Die Forschung nennt mehrere zentrale Einflussfaktoren (z.B. Carsten et al., 2010; Sy, 2010; Hassan et al., 2020):

  • Vertrauen in Führung: Vertrauen ist eine Grundvoraussetzung für aktives Followership. Studien zeigen, dass Mitarbeitende eher bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und eigene Perspektiven einzubringen, wenn sie ihren Führungskräften Kompetenz, Integrität und Fürsorge zuschreiben (Dirks & Ferrin, 2002).

  • Psychologische Sicherheit: Gemäß Edmondson (1999) ist psychologische Sicherheit – das Gefühl, in einem Team ohne Angst vor negativen Konsequenzen Fragen stellen oder Fehler eingestehen zu dürfen – entscheidend für Engagement und Lernverhalten. In solchen Umgebungen wird kritisches Denken gefördert und Followership-Verhalten sichtbar.

  • Organisationale Kultur: Eine partizipative, lernfördernde Unternehmenskultur stärkt Followership. Insbesondere Werte wie Transparenz, Eigenverantwortung und Offenheit begünstigen aktive Mitgestaltung (Schyns & Schilling, 2013).

  • Individuelle Dispositionen: Persönlichkeitseigenschaften wie eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung, internes Kontrollbedürfnis und Proaktivität stehen in positiver Beziehung zu Followership-Verhalten (Zhu et al., 2019).

  • Führungsverhalten: Besonders transformationale Führung, die Inspiration, intellektuelle Stimulierung und Individualisierung betont, wirkt förderlich auf Followership (Bass & Riggio, 2006).

Moderierende Faktoren:

  • Teamstruktur und Aufgabenkomplexität: In hochkomplexen, interdependenten Teams steigt der Bedarf an aktiver Followership, um kooperative Problemlösungen zu ermöglichen (Pearce & Conger, 2003).

  • Historie organisationaler Führung: Frühere Erfahrungen mit autoritären oder laissez-faire Führungsstilen können die Entwicklung von Followership hemmen oder fördern, je nachdem, wie stark Mitarbeitende daran gewöhnt sind, eigene Beiträge einzubringen.

Die Interaktion dieser Treiber und Moderatoren bestimmt, ob Followership in einer Organisation lediglich reaktiv oder tatsächlich als gestaltende Kraft auftritt.

Handlungsempfehlungen für Organisationen

Um Followership gezielt zu fördern, können Organisationen auf mehreren Ebenen ansetzen:

  1. Führungskräfteentwicklung: Trainings sollten Führungskräfte nicht nur auf ihre Rolle, sondern auch auf die Förderung von Followership vorbereiten. Feedbacktechniken, psychologische Sicherheit und partizipative Methoden sind hier zentral.

  2. Kulturarbeit: Eine offene Fehlerkultur, transparente Kommunikation und flache Hierarchien fördern ein Umfeld, in dem Followership entstehen kann.

  3. Strukturelle Maßnahmen: Beteiligungsformate wie Feedbackrunden, Entscheidungsbeteiligung oder innovationsfördernde Workshops stärken die Rolle der Follower.

  4. Recruiting und Onboarding: Schon bei der Auswahl neuer Mitarbeitender sollte auf Eigenverantwortung und reflektiertes Denken geachtet werden. Das Onboarding kann gezielt Followership-Verhalten stärken.

  5. Evaluation und Feedbacksysteme: Nicht nur Führungskräfte, auch Teams und einzelne Mitarbeitende sollten Feedback zur Qualität ihrer Followership erhalten – in beide Richtungen.

Fazit

Followership ist mehr als Gefolgschaft – es ist ein aktiver, kritischer und wertvoller Beitrag zur Führungskultur in Organisationen. Wer Followership ernst nimmt, erkennt an, dass gute Führung nur im Dialog funktioniert. Organisationen, die Followership fördern, schaffen nicht nur leistungsfähigere, sondern auch gesündere und resilientere Teams.

"Leadership is not about being in charge. It's about taking care of those in your charge – and Followership is about choosing to contribute, not just to comply."

Quellen (Auswahl):

  • Bass, B. M., & Riggio, R. E. (2006). Transformational Leadership.

  • Carsten, M. K., Uhl-Bien, M., West, B. J., Patera, J. L., & McGregor, R. (2010). Exploring social constructions of followership: A qualitative study. The Leadership Quarterly, 21(3), 543–562.

  • Dirks, K. T., & Ferrin, D. L. (2002). Trust in leadership: meta-analytic findings. Journal of Applied Psychology, 87(4), 611–628.

  • Edmondson, A. (1999). Psychological safety and learning behavior in work teams. Administrative Science Quarterly, 44(2), 350–383.

  • Hassan, R., Wright, B. E., & Yukl, G. (2020). Does ethical leadership matter in follower outcomes? Public Administration Review, 80(3), 412–422.

  • Matshoba-Ramuedzisi, T., de Jongh, D. and Fourie, W. (2022), "Followership: a review of current and emerging research", Leadership & Organization Development Journal, Vol. 43 No. 4, pp. 653-668.

  • Schyns, B., & Schilling, J. (2013). How bad are the effects of bad leaders? Leadership Quarterly, 24(1), 138–158.

  • Sy, T. (2010). What do you think of followers? Examining the content, structure, and consequences of implicit followership theories. Organizational Behavior and Human Decision Processes, 113(2), 73–84.

  • Zhu, W., Avolio, B. J., & Walumbwa, F. O. (2019). Moderating role of follower characteristics in transformational leadership effectiveness. Academy of Management Journal, 62(2), 383–404.

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