Fluktuationsrate: Der Leader unter den Kostenfressern
Welche Auswirkungen hat eine steigende Fluktuationsrate auf ein Unternehmen? Heute erklären wir, welche Gründe es für Fluktuation gibt und welche Kosten durch Abwanderung entstehen.

Wir haben bereits vor einigen Wochen besprochen, wie wichtig die Arbeitgeberattraktivität für ein Unternehmen ist, um an die qualifiziertesten Mitarbeiter zu gelangen und die Neubesetzung von freien Stellen auch in Zukunft zu sichern. Mitarbeiter ins Boot zu holen ist also die eine Sache. Sie auch auf lange Sicht im Betrieb zu halten, die andere. Ich setzte mich diese Woche genauer mit dem Thema Fluktuationsrate auseinander und möchte aufklären, welche Folgen es für ein Unternehmen hat, wenn die Fluktuation steigt. Dazu werden wir uns genauer ansehen, wie viel es einem Unternehmen kostet, wenn ein wichtiger Mitarbeiter den Betrieb verlässt und mit welchem Aufwand die Neubesetzung der Stelle verbunden ist.
Fluktuationsrate
Im Allgemeinen wird darunter der Abgang bzw. die Abgangsrate von Mitarbeitern von einem Unternehmen verstanden. Es gibt natürlich verschiedene Arten von Fluktuation und Gründe, warum ein Mitarbeiter ein Unternehmen verlässt. Ich möchte heute auf die Form der unternehmensfremden Fluktuation, der freiwilligen Kündigung eines Mitarbeiters, eingehen.
Gründe für eine steigende Fluktuation
Globale Faktoren
Globale Faktoren sind wirtschaftliche sowie gesellschaftliche Aspekte, die sich mit der Zeit verändern und sich auf die Fluktuation auswirken. Vor einiger Zeit war es eine Seltenheit, dass ein Mitarbeiter ein Unternehmen verlässt, um in einem anderen Betreib tätig zu sein. Heute spielt dies eine große Rolle, nicht nur auf der Arbeitnehmer-, sondern auch auf der Arbeitgeberseite. Es gibt wenige, die nicht zumindest schon einmal darüber nachgedacht haben, ihren Job zu wechseln. Ein Grund dafür ist mit Sicherheit die Loyalität. Es fällt Mitarbeitern leichter, ein Unternehmen zu verlassen und auf der anderen Seite verabschieden sich auch Betriebe leichter von ihren Mitarbeitern. Das Vertrauen, das man früher noch für einander hatte, wurde von anderen Werten abgelöst. Darüber hinaus hängt die Fluktuationsrate stark von der Konjunktur ab. Bei guter wirtschaftlicher Lage ist die Fluktuation höher, da es viele interessante Stellen gibt und man eher einen Jobwechsel wagt. Auf solch globale Faktoren hat ein einzelnes Unternehmen keinen, oder nur geringen Einfluss.
Lokale Faktoren
Die lokalen Faktoren betreffen das einzelne Unternehmen und die Mitarbeiter, die darin tätig sind. Hier hat ein Unternehmen großen Einfluss und kann einer steigenden Fluktuation entgegenwirken. Auf den ersten Blick scheint es ganz einfach. Den Grundstein der Fluktuation haben March und Simon bereits 1958 mit ihrer Anreiz-Beitrags Theorie gelegt: Wer unzufrieden ist und eine Alternative dazu bekommt, nutzt diese auch. Das heißt je leichter sich der Gedanke eines Jobwechsels in die Tat umsetzen lässt, umso großer ist die Chance, dass der Mitarbeiter es auch realisiert. Leider ist es doch nicht ganz so einfach, denn es konnte empirisch nachgewiesen werden, dass die Arbeitszufriedenheit und auch die Jobalternativen die Fluktuation nur zum Teil aufklären können (Griffeth et al., 2000, S. 479).
Es gibt noch eine Vielzahl an anderen Faktoren, die einen Menschen bewegen, ein Unternehmen zu verlassen. Darauf wollen wir nächste Woche im zweiten Teil zum Thema Fluktuation näher eingehen.
Unterschiedliche Standorte = unterschiedliche Fluktuationsrate
Oft prahlen Unternehmen damit, eine sehr niedrige Fluktuationsrate zu haben. Auf den ersten Blick denkt man sich dabei: Ist doch spitze, die Mitarbeiter scheinen gern in diesem Betrieb zu arbeiten. Auf den zweiten Blick sieht die Sache bereits anders aus. So gibt es zum Beispiel viele Großbetriebe am Land, die den einzigen Arbeitgeber in der Umgebung darstellen und die Menschen einfach keine andere Wahl haben, als dort zu arbeiten. Stellt man sich dann die Frage, durchbeißen oder wegziehen, entscheiden sich viele für ersteres und so kommen oft „unverdient“ sehr geringe Fluktuationsraten zustande. In dicht besiedelten Regionen oder Städten ist es bereits schwieriger geworden, gut ausgebildete Fachkräfte zu halten, da auch die Konkurrenzgrößer ist.
Auswirkungen auf ein Unternehmen
Es wird allgemein immer schwieriger gute Mitarbeiter im Unternehmen zu halten. Für bessere Konditionen, flexible Arbeitszeiten, gute Vereinbarung zwischen Familie und Beruf, sowie einer ansprechenden Unternehmenskultur und einem positiven Betriebsklima wird schnell der Job gewechselt. Doch was bedeutet das für ein Unternehmen wirklich und welche Kosten entstehen dabei?
Die tatsächlichen Kosten, die durch die Abwanderung von Mitarbeitern entstehen, sind meist viel höher als vorerst angenommen. Hier eine Auflistung an direkten und indirekten Kosten, die durch Fluktuation entstehen:
Kosten für den alten Mitarbeiter
Ein Mitarbeiter, der von sich aus kündigt, kostet dem Unternehmen so einiges. Zum einen sind Resturlaubstage und Überstunden auszuzahlen, sowie gegebenenfalls Abfertigungszahlungen zu leisten. Es entstehen Kosten in der Personalabteilung durch Formalitäten wie z.B. Dienstzeugnis, Abmeldung etc. Darüber hinaus hat der Mitarbeiter vermutlich schon länger mit dem Gedanken gespielt zu gehen, hat innerlich bereits seit 4 Monaten gekündigt und leistet nur mehr Dienst nach Vorschrift. Außerdem wurden Kosten in Schulungen und Ausbildungen in den Mitarbeiter investiert.
Kosten für die Neubesetzung
Um die Stelle neu und so gut wie möglich besetzen zu können müssen teure Inserate geschalten, eventuell sogar eine Personalvermittlung beauftragt werden. Bewerbungen müssen gelesen und aussortiert werden, Vorstellungsgespräche geführt und gegebenenfalls auch Besprechungen mit den Kollegen geführt werden. Dazu kommen noch Formalität bei der Einstellung und vieles mehr.
Kosten, die durch die Einarbeitung entstehen
Natürlich kann eine neue Kraft nicht von einem Tag auf den anderen alle Tätigkeiten übernehmen, die ein Mitarbeiter zuvor 10 Jahre lang gemacht hat. Dabei wird in der Regeldas volle Gehalt ausbezahlt. Der neue Mitarbeiter muss von Kollegen und Führungskräften begleitet werden, die mit ihrer eigenen Arbeit nicht hinterherkommen und Überstunden aufbauen. Dazu kommen erneute Ausbildungskosten für Weiterbildungen und Schulungen. Darüber hinaus ist am Anfang mit einer hohen Fehlerquote und geringerer Leistung zu rechnen.
Sonstige Kosten
Es gibt natürlich auch noch versteckte Kosten, die im Vorhinein nicht ersichtlich sind. Dazu gehört zum Beispiel die Abwanderung von Kunden, die eine enge Beziehung zu dem Mitarbeiter hatten. Das ganze Wissen, das verloren geht, über individuelle Kunden oder Lieferantenwünsche und Sonderabsprachen. Darüber hinaus wird Know-How in ein anderes Unternehmen „mitgenommen“ und hilft eventuell der Konkurrenz weiter.
Die Zeit von hoher Fluktuation ist natürlich auch für die noch bestehenden Mitarbeiter schwierig. Sie leiden oft stark, da man geschätzte Kollegen verliert und unter einer ständigen Doppelbelastung arbeiten muss. Wenn man all diese Posten in die Kostenrechnung mit aufnimmt kommt man für einen Mitarbeiter, der das Unternehmen verlässt auf ganze sieben Monatsgehälter.
Natürlich bedeutet Fluktuation nicht immer etwas Negatives. Mit neuen Menschen kommt auch ein frischer Wind in das Unternehmen und es bleibt innovativ. Es sollte aber auf ein stabiles Kommen und Gehen der Mitarbeiter geachtet werden. Verlassen viele Mitarbeiter oder Führungskräfte in zeitlicher Näher aus demselben Bereich den Betrieb, sollte rasch analysiert werden, welche Gründe es dafür gibt und wie man die Mitarbeiter hätte halten können. Nächste Woche gibt es zu diesem Thema Tipps, wie man die Fluktuation so gering wie möglich halten kann und auf was Mitarbeiter besonders viel Wert legen.
Wer nichts verändern will, wird auch das verlieren, was er bewahren möchte
von Gustav Heinemann