Dualismus als Bremse: Vom Miteinander weit entfernt
Wenn viele festgefahrene Meinungen aufeinander treffen, ist es fast unmöglich einen Konsens zu finden. Genau in diesem Sinne beschäftigt mich seit Wochen ein Zitat von Kant zum "logischen Egoisten", der den Dualismus bzw. Pluralismus als Lösung sieht. Doch funktionieren pluralistische Systeme wirklich?

Neues Jahr, neuer Artikel. Nun darf ich Jonas mal wieder ablösen und ein Thema bearbeiten bzw. ansprechen, das sich für mich in den letzten Monaten als ein sehr zentraler Faktor für Projekte jeder Art herauskristallisiert hat. Es geht um die unterschiedlichen Perspektiven einzelner Funktionsbereiche auf die Zieldefinition eines Projektes und den damit verbundenen Maßnahmen, die abgeleitet werden sollen. So hat es immer wieder den Anschein, als gäbe es in vielen Unternehmen eine ausgeprägte Form von „Dualismus bzw. Pluralismus“, die im schlimmsten Fall dazu führt, dass Nachhaltigkeit ein Fremdwort bleibt.
Was ist mit Dualismus gemeint?
Gewöhnlich wird der Dualismus folgendermaßen beschrieben: Verschiedene Ansichten, die alles auf nur zwei (Im Pluralismus sind es mehrere) ursprüngliche, nicht auseinander herzuleitende Prinzipien zurückführen. Keine Sorge, ich möchte jetzt auf keinen Fall den Philosophen im Psychologen erwecken und auf die Zeit beziehungsweise Gedankengänge von Aristoteles zurückgreifen. Vielmehr beschreibe ich heute eine Form des Dualismus, der seinen Ursprung höchstwahrscheinlich hier in diesem Blog finden wird. Den „Erfolgs- bzw. Führungsdualismus“. Damit meine ich, dass ein Unternehmen oftmals ganz plakativ und dichotom in zwei Lager getrennt werden kann. Das Lager, das den Menschen in das Zentrum der Entwicklung stellt und ein weiteres, das den wirtschaftlichen Erfolg und das Wachstum des Unternehmens in den Fokus rückt.
Das Unternehmen als dualistisches bzw. pluralistisches System
Mehrere unterschiedliche Ansichten innerhalb eines Systems klingen eigentlich erstmal nach perfekten Voraussetzungen für eine florierende und wenig einseitige Entwicklung des Unternehmens, wenn da nicht das Wort „eigentlich“ hervorgehoben werden müsste. Denn meist sind es nicht die einzelnen Positionen im Unternehmen, die dieses Weltbild teilen, sondern vielmehr treffen ein Dutzend Monisten, oder um Kant zu zitieren „logische Egoisten“ aufeinander, die zwar im Ganzen und miteinander als pluralistisches System betrachtet werden können, sich aufgrund der unterschiedlichen Betrachtungsweisen, aber noch vielmehr aufgrund bisheriger Erfahrungen und persönlicher Befindlichkeiten gegenseitig im Weg stehen.
Aus Einseitigkeit wird Vielseitigkeit und dann?
Es gibt nicht das eine wahre System, mit dem jedes Problem gelöst werden kann. Vor allem weil jedes System fehlbar ist und damit auch weitere Probleme verursachen kann, ist es umso wichtiger, sich flexibel und offen auf aktuelle Begebenheiten einzulassen und sämtliche betroffene Parteien in den Lösungsprozess einzubinden. Aus Angst vor der nackten Wahrheit, wird dieser Weg aber meist vermieden, und es wird sich vielmehr damit beschäftigt, das eigene Tun als das erfolgversprechende zu klassifizieren. Und so wird über Veränderungen und dazugehörige Maßnahmen wie Trainings diskutiert und sich gewundert, neben der „Wir sind der beste Arbeitgeber-Trophäe“ sitzend, warum die eigenen Mitarbeiter in der letzten Mitarbeiterbefragung durch ein hohes Maß an Unzufriedenheit glänzen. Genau aus dieser Unzufriedenheit entstehen dann Gegenbewegungen, die sich gegenseitig ausbremsen und ein konstruktives Fortbestehen des Unternehmens erschweren. Ab dann spricht die Unternehmensleitung von „verbrannter Erde“, die weitere Veränderungen fast unmöglich machen. Natürlich dient dies als Erklärungsversuch und Denkanstoß für mich selbst, wenn ich mal wieder bei einem Betriebsrat sitze, der fast schon aus Prinzip erklärt, man wolle die Unternehmensleitung bei keinen weiteren Maßnahmen mehr unterstützen.
Wenn Egoismus auf den Schultern Anderer zur Last wird
Wenn ich von Egoismus spreche, möchte ich das vorhin erwähnte Zitat von Immanuel Kant zu Ende führen:„Dem Egoismus kann nur der Pluralismus entgegengesetzt werden, das ist die Denkungsart: sich nicht als die ganze Welt in seinem Selbst befassend, sondern als bloßen Weltbürger zu betrachten und zu verhalten.Wenn man seine Einsichten mit denjenigen anderer vergleicht und aus dem Verhältnis der Übereinstimmung mit anderer Vernunft die Wahrheit entscheidet, ist das der logische Pluralismus.“
Warum also nicht jeden einzelnen bei der Entwicklung des Unternehmens berücksichtigen? Zum einen wünschen sich Unternehmer, dass sämtliche Mitarbeiter bzw. Führungskräfte Verantwortung für das eigene Tun übernehmen und Entscheidungen treffen. Zum anderen soll dies aber bisher immer nur im Setting des übergeordneten Weltbildes stattfinden, das über alle übergestülpt wurde. Das genau hier die Erde brennt oder ganze Abteilungen vielmehr Ihre Schreibtische auf Asche bauen, kann ich in diesem Fall nachvollziehen. Habe ich als Mitarbeiter oder Führungskraft keinerlei Möglichkeit die Entwicklung mitzugestalten, soll aber das übergestülpte System mittragen, gleicht das ja fast schon einer Form der erlernten Hilflosigkeit. Wer sich dann noch wundert, warum das Engagementlevel sinkt und die Fluktuationsrate steigt, sollte sich lieber mit den genannten „Ich-bin-so-toll-Trophäen“ in einen Schrank sperren und die ausgeprägte Form seines Egoismus dort walten lassen.
Ist Angst das Fundament von Egoismus?
Immer wieder höre ich den abstrusen Satz: „Herr Kerneder, sehe ich das richtig, dass ich mit Ihrer Handlungsweise und Ihrem Tool sämtliche Probleme im Unternehmen in Echtzeit offenlegen kann?“ Früher dachte ich immer, es wäre absolut wünschenswert genau dies zu erreichen. Heute antworte ich meist nur noch zögerlich mit einem „Ja, wenn Sie das möchten.“ Die Reaktion darauf ist dann aber oftmals verblüffend: „Das muss ich mir noch mal überlegen, ob ich das als zielführend betrachte!“ - Gibt es heute tatsächlich noch Menschen, die glauben, solange ein Problem bzw. Defizit nicht aufgezeigt wird, es auch nicht vorhanden ist? Das Zwischenfazit, das hier gezogen werden kann, ist folgendes: Präventives Denken ist nicht nur im Krankensetting Mangelware.
Aber was treibt Entscheider dazu, Analysen zurückzustellen, Befunde zu vermeiden und Defizite kleinzureden? Wir sind heute noch nicht an dem Punkt angekommen, sich Fehler einzugestehen und schlussendlich darüber zu stehen. Fehler und Probleme sollen vermieden werden. Die besten und interessantesten Gespräche habe ich bisher allerdings mit Menschen geführt, die das eigene Ego nicht davor bewahren, es mit Erfahrungen zu konfrontieren, die unangenehm sind bzw. waren.
Zurück zum Titel: Dualismus als Bremse
Der Dualismus bzw. Pluralismus von dem ich schreibe, bezieht sich maximal auf das übergeordnete System, das sich aus vielen einzelnen festgefahrenen Meinungen zusammensetzt und sich ausbremst. Die Führungskräfte und Entscheider dieser Zeit müssen in Zukunft das eigene Wohl zurückstellen und Möglichkeiten einräumen, sämtliche Parteien in die Entwicklung des Unternehmens einzubeziehen, und einen Konsens aus den verschiedenen Strömungen ziehen, der Nachhaltigkeit gewährleisten kann. Das wäre in meinem Sinne ein wahrlich großartiger Pluralismus, der sich in der Führung widerspiegelt.
zweikern Analytics schafft Transparenz und zeigt auf
Wir bei zweikern haben unser Tool zweikern Analytics nicht ohne Grund entwickelt. Sämtliche Menschen innerhalb eines Unternehmens sollen bei der Maßnahmenentwicklung differenziert betrachtet werden können. So ist das Arbeiten nach Gießkannenprinzip nicht mehr notwendig und das Überstülpen von Maßnahmen fällt weg.
Ein Problem erst dann zu bearbeiten, wenn es manifest im Unternehmen verankert ist, gleicht wenn überhaupt nur einer Form der Schadensbegrenzung. Vielmehr geht es darum, frühzeitig zu erkennen, wo es Schwierigkeiten gibt, um dann adäquat darauf zu reagieren.
Dieses Thema bewegt mich nun schon einige Wochen. Meine Gedanken dazu haben allerdings erst während des Schreibens ihre finale Form angenommen. Deshalb sollte der ganze Artikel vielmehr als Gedankenanstoß und Grundlage zur weiteren Diskussion verstanden werden, wobei ich mir bei einem Punkt schon immer sicher war und bin:
Das größte Maß an Unfehlbarkeit erreicht man
immer über die Einsicht fehlbar zu sein.