Alles unverbindlich: Zuverlässigkeit wird zum Fremdwort
Alles unverbindlich: Entscheidungen treffen Fehlanzeige! Die Menschen werden immer unverbindlicher, auf was kann man sich denn überhaupt noch verlassen?

Die Menschen werden immer unverbindlicher – Die Generation Unverbindlichkeit. Diesen Satz liest man immer häufiger in sozialen Medien und Zeitschriften. Hauptsächlich wird diese Aussage auf Beziehungen bezogen, denn junge Menschen wollen sich in der Liebe einfach nicht mehr so schnell festlegen und versuchen, sich alles offen zu halten. Könnte ja sein, dass doch noch was „Besseres“ auf sie zukommt. Aber auch die Arbeitswelt ist von der Schnelllebigkeit und Flexibilität geprägt und scheinbar wird es immer schwieriger, Entscheidungen zu treffen und auch dazu zu stehen. Verbindlich ist überhaupt nichts mehr, sogar eine Unterschrift hat teilweise keinen Wert mehr. Von Mitarbeitern wird diese Verbindlichkeit, Mitarbeiterbindung und Engagement, kurz gesagt "Commitment" aber durchaus gefordert. Doch wie soll ein Mitarbeiter diese Werte leben, wenn das Unternehmen selbst etwas ganz Anderes vorlebt und welche Folgen ergeben sich daraus auf Mitarbeiterebene?
Emotionale Bindung und Commitment
Eine Studie, die ich in meinen Artikeln bereits oft zitiert habe ist der Engagement Index von Gallup. Dieser zeigt auch für das Jahr 2016, dass lediglich 15 % aller Mitarbeiter emotional an das Unternehmen gebunden sind. Ganze 70 % sind gering gebunden und machen einfach nur das, was von ihnen verlangt wird. Würde sich eine bessere Stelle auftun, würden die meisten Mitarbeiter nicht einmal mit der Schulter zucken, um dem jetzigen Arbeitgeber den Rücken zuzukehren. Dies sind erschreckende Zahlen aber für mich sind sie alles andere als überraschend.
Alles unverbindlich!
Die meisten Unternehmen leben doch genau diese Unverbindlichkeit vor, erwarten aber im Gegenzug Commitment, Engagement und Loyalität von ihren Mitarbeitern. Am Personal wird als erstes eingespart, wenn die Ziele für Umsatzzahlen einmal nicht erreicht werden. Entscheidungen werden revidiert und sogar unterschriebene Verträge angefochten. Auf eine mündliche Vereinbarung kann man sowieso schon lange nicht mehr zählen, aber auch eine Unterschrift oder ein Vertrag ist eigentlich nichts mehr wert. Auf die Aussage „Ich rufe Sie zurück“ reagiert man schon gar nicht mehr, da dies sowieso nicht passieren wird. Sogar zwischen Unternehmen ist oft alles unverbindlich, Projekte oder Termine werden kurzfristig verschoben, ganz abgesagt oder thematisch komplett über den Haufen geworfen. Nicht mehr selten passiert es, dass man zu einem vereinbarten Termin fährt und dort angekommen erfährt, dass der Termin leider abgesagt werden muss, da sich der zuständige Mitarbeiter leider gerade in einem Meeting befindet, oder gerade einfach nicht verfügbar ist. Darüber hinaus passiert es immer häufiger, dass unbezahlte Vorleistungen, z.B. in Form von Projektplanungen verlangt werden, das Projekt dann aber doch abgesagt wird und man am Aufwand sitzen bleibt. Wie viel zählt denn noch ein abgesprochener Termin, ein vereinbares Meeting oder die Unterschrift auf einer Projektvereinbarung?
Entscheidungen hinauszögern
Entscheidungen zu treffen und dann auch dazu zu stehen ist in vielen Unternehmen ein tatsächliches Problem. Man will keine falsche Entscheidung treffen, deshalb werden diese immer wieder hinausgezögert und man will sich nicht festlegen. Viele Mitarbeiter hängen dabei in der Luft, sie wissen nicht, wie lange sie noch im Unternehmen arbeiten werden, können Aufgaben nicht erfüllen, weil die "Entscheider" noch keine Entscheidung getroffen haben und am Ende doch wieder alles anders ist, als zuvor geplant. Das hat nichts mehr mit Flexibilität zu tun, sondern eher mit der Angst vor Entscheidungen, Unzuverlässigkeit und Unverbindlichkeit. Das Hinauszögern oder das Revidieren von Entscheidungen frustriert Mitarbeiter gewaltig und äußert sich in Unzufriedenheit, geringem Engagement und der oben angesprochenen geringen emotionalen Bindung an das Unternehmen.
Folgen von Unverbindlichkeit
Unverbindlichkeit oder das Weglaufen vor Entscheidungen vonseiten der Führungskraft hat oft schwerwiegende Folgen auf der Mitarbeiterebene.
Unzufriedenheit und geringe Wertschätzung
Eine versprochene Gehaltserhöhung wird nicht umgesetzt, Termine mit Mitarbeitern werden verschoben oder ganz abgesagt. Projekte, in die bereits einiges an Planung und Zeit geflossen ist, werden ohne gute Begründung wieder abgesagt. Diese unverbindlichen Verhaltensweisen von Führungskräften haben negative Auswirkungen auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter, da durch die fehlende Zuverlässigkeit oft der Eindruck bei Mitarbeitern entsteht, nicht wertgeschätzt zu werden.
Frustration und Demotivation
Ist auf das Wort der Führungskraft oder des Geschäftsführers kein Verlass mehr, steigt die Frustration der Mitarbeiter. Gerade wenn Entscheidungen immer wieder geändert werden, Mitarbeiter darüber viel zu spät informiert werden und unnötig viel Arbeit in Aufgaben stecken, die am Ende sowieso wieder umgeschmissen werden, steigt die Demotivation. Weiß man im Vornhinein schon, dass die eigene Arbeit sowieso verschwendet wird, ist die Motivation nicht sehr groß, überhaupt damit anzufangen.
Geringe emotionale Bindung
Lässt man Mitarbeiter bezüglich ihrer Zukunft im Unternehmen zu lange in der Luft hängen, nimmt die emotionale Bindung stetig ab. Wird zum Beispiel die Entscheidung, ob ein Mitarbeiter übernommen oder ein Arbeitsvertrag verlängert wird ständig verschoben, steigt die Unsicherheit der Mitarbeiter. Dies äußert sich oft in einem Rückgang der emotionalen Bindung zum Unternehmen und in Resignation durch gefühlte Aussichtslosigkeit.
Hohe Fluktuation
Diese Unsicherheit führt dazu, dass sich Mitarbeiter um andere Stellen umschauen. Sobald sie dann etwas Besseres gefunden haben, zögern sie nicht, ihren Job zu wechseln. Verständlicherweise, denn das Unternehmen würde genauso wenig Rücksicht auf die Mitarbeiter nehmen, wenn es darum geht, Personal abzubauen. Leider verlassen meist die besten Mitarbeiter als erstes das Unternehmen und Schlüsselpositionen gehen verloren.
Der Leitsatz „alles unverbindlich“ zieht sich durch fast alle Bereich des Unternehmens und hat meistens einen bitteren Beigeschmack. So sehr wir auch die neu gewonnene Flexibilität in der Arbeitswelt schätzen, der Mensch braucht Strukturen, auf die er sich verlassen kann. Nimmt man Mitarbeitern diese Basis an Zuverlässigkeit, äußert sich dies in Unsicherheit, Demotivation und Frustration. Auch zwischen Unternehmen sollte die Verbindlichkeit wieder stärker bedacht werden. Für Kleinunternehmen ist diese gelebte Unverbindlichkeit von Großfirmen oft der Untergang, wenn zum Beispiel Vorleistungen erbracht werden, die am Ende doch nicht in Anspruch genommen und/ oder nicht bezahlt werden.
Ich würde mich sehr freuen, mit Ihnen über dieses Thema zu diskutieren! Welche Erfahrungen haben Sie bereits mit der Unzuverlässigkeit und Unverbindlichkeit von Arbeitgebern gemacht? Ist dies einfach eine normale Entwicklung durch erhöhte Schnelllebigkeit und Flexibilität am Arbeitsmarkt, oder will einfach jeder das Beste für sich selbst herausholen, ohne an die Konsequenzen für andere zudenken? Kann es auch sein, dass ich den Unternehmen Unrecht tueund sich diese lediglich auf die Sprunghaftigkeit der flexiblen Mitarbeiter von heute einstellen möchten? Schreiben Sie einfach Ihren Kommentar unten in die Comment Box, ich freue mich auf einen Austausch mit Ihnen!
Der Aufbruch zur Wahrheit fordert den Abschied von der Unverbindlichkeit
von Peter Cerwenka